Erkenntnisse aus Berlin Allergisch auf den Apfel

Berlin/Lemgo · Unbeschwert einen saftigen Apfel genießen – was für viele Menschen normal ist, kann anderen große Probleme bereiten. Forscher aus Berlin sind dem Phänomen auf der Spur.

 Achtung, Apfel! Gerade neue Sorten wie Gala (hier im Bild), Golden Delicious  oder Jonagold sorgen bei Allergikern für Probleme, weil sie weniger Abwehrstoffe erhalten.

Achtung, Apfel! Gerade neue Sorten wie Gala (hier im Bild), Golden Delicious  oder Jonagold sorgen bei Allergikern für Probleme, weil sie weniger Abwehrstoffe erhalten.

Foto: dpa/Patrick Pleul

(dpa) Leuchtend liegen die Äpfel in den Verkaufsregalen. Dank der guten Ernte gibt es in diesem Jahr keine Knappheit an Deutschlands beliebtestem Obst. Doch nicht jedem ist der Genuss vergönnt. Apfelallergiker vertragen oft gerade die Sorten aus dem Supermarkt nicht. Zu ihnen zählt auch die Berlinerin Ursula Müller. „In der Pubertät ging es bei mir los mit den Allergien“, erinnert sich die gebürtige Leverkusenerin. Neben Birkenpollen reagierte sie plötzlich auch auf Äpfel. „Beim Essen jucken Mund und Rachen. Alles schwillt an“, sagt die 58-Jährige.

Ihr Fall ist laut dem Berliner Al­lergologen Karl-Christian Bergmann von der Charité typisch für eine Kreuzallergie. Wer gegen Birkenpollen allergisch sei, vertrage meist auch bestimmte Äpfel nicht. Der Grund: „Das Obst enthält Allergene, die den wichtigsten Allergenen in Birkenpollen ähneln“, so Bergmann. In Deutschland gibt es seinen Angaben zufolge rund elf Millionen Erwachsene mit Heuschnupfen, von denen etwa jeder zweite auch allergisch auf Obst oder Gemüse reagiert.

Bei den Äpfeln sind es gerade die gängigen Sorten wie Golden Delicious, Gala oder Jonagold, die Allergikern wie Ursula Müller Probleme machen. „Die neueren Sorten, sogenannte Tafeläpfel, enthalten besonders viele Allergene“, erläutert Bergmann. Der Allergen-Anteil sei so hoch, weil ein anderer Abwehrstoff der Äpfel, die Polyphenole, durch Züchtungen stark reduziert worden sei, um süßere Sorten zu erzielen. Die für Aroma und Säure zuständigen Polyphenole schützen den Apfel vor Schimmelpilzen und sind laut Bergmann auch gesund für den Menschen. „Der Spruch ‚Ein Apfel pro Tag erspart den Gang zum Arzt‘ trifft aber eher auf alte Apfelsorten zu“, so der Mediziner. In einer kleinen Beobachtungsstudie entdeckten er und Kollegen weitere Vorteile: Alte Sorten sind nicht nur verträglicher für Allergiker, sondern ihr regelmäßiger Verzehr kann sie auch resistenter gegen Problemäpfel machen und Heuschnupfen-Symptome reduzieren.

Jeweils zu Beginn und zum Ende der Studie aßen die rund 100 Teilnehmer einen „Problemapfel“ der Sorte Golden Delicious. Dazwischen bekamen sie 90 Tage lang täglich alte Apfelsorten mit hohem Polyphenolgehalt wie Alkmene, Eifeler Rambur, Goldparmäne und Roter Boskoop. „Bis zum Ende haben etwa 70 Teilnehmer mitgemacht. Viele konnten den Golden Delicious im Anschluss besser vertragen und hatten auch in der darauffolgenden Heuschnupfensaison weniger Beschwerden“, sagt Bergmann.

Welche Sorten für Allergiker verträglich oder unverträglich sind, tragen Willi Hennebrüder und Mitstreiter vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Lemgo zusammen. Rund 100 Apfelsorten enthält ihre im Internet veröffentlichte Liste bereits.

Der Allergologe Bergmann forscht jetzt weiter. Er will verstärkt mit Kollegen aus Kasachstan kooperieren. Von dort stammt der Urvater des heutigen Kulturapfels, die Wildart Malus sieversii. „Heuschnupfen-Probleme wie hier kennt man dort nicht.“ Er will herausfinden, ob das am hohen Polyphenolgehalt der dortigen Apfelsorten liegt.

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