Beeren im Bier

London · In London gibt es immer mehr Mikro-Brauereien. Anders als in Deutschland, wo das deutsche Reinheitsgebot Grenzen setzt, können die englischen Brauer ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Das kommt bei den Briten an.

 Gary Fish und Robert Pfingsttag prosten sich mit unterschiedlichen Ale-Sorten zu. Foto: Pribyl

Gary Fish und Robert Pfingsttag prosten sich mit unterschiedlichen Ale-Sorten zu. Foto: Pribyl

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Es sieht aus wie Bier, schmeckt oft wie Bier, das könnte Bier sein. Tatsächlich ist es ein Experiment, eine Mode, ein Ergebnis jener kleinen Brauereien , die in London im Trend liegen. Mittlerweile verteilen sich mehr als 50 in der Metropole. Im Osten der Hauptstadt spiegeln sich farbenprächtige Graffitis eines Backsteinhauses in der Abendsonne im Wasser wieder. Vor dem Lagergebäude liegen verschlafen Haus- und Ruderboote im Kanal, umgeben von postindustriellen Brachen, die gerne von Künstlern bewohnt oder bearbeitet werden. Es ist diese Umgebung, die auch die Crate Brewery, eine Mikro-Brauerei, angezogen hat. Der Stadtteil Hackney, einst gehörte er zu den ärmsten Gegenden Londons, gilt mittlerweile als hip und aufregend, die kleine Brauerei mit den Holztischen und -bänken im Außenbereich passt perfekt in diese charmante Landschaft. In der Mitte der hohen Fabrikhalle steht die Bartheke darum zahlreiche Gäste ein, die für den besonderen Geschmack gekommen sind. Die Wände sind gekachelt, von der Decke hängen Designerlampen, entworfen von lokalen Künstlern, und gleich nebenan wird das Bier gebraut. Früchte, Kräuter und Gewürze setzen die Brauer kreativ ein, um mit dem Getränk zu experimentieren - anders als in Deutschland, wo das aufgrund des deutschen Reinheitsgebots niemals möglich wäre.

"Wundervolle Geschmacksrichtungen" gebe es, schwärmt Engländer Garry Fish. Er trinkt ein Ale, das nach Beeren riecht, nach Zitrone schmeckt, und "Magic Rock" heißt. Es ist sein drittes. Der 56-jährige selbst ernannte Bierexperte lebt in der Themse-Stadt und hat an diesem Abend Kollegen in die Crate-Bar mitgebracht - wie den Deutschen Robert Pfingsttag. "Das Bier hier ist ehrlicher", sagt der 41-Jährige etwas lauter, um das Stimmengewirr zu übertönen. "Man darf ein Pils nicht mit einem Ale vergleichen, das ist ein völlig anderer Ansatz." Auch wenn das Wort "Ale" in Großbritannien umgangssprachlich synonym zu "Bier" verwendet wird, unterscheiden sich der Herstellungsprozess sowie der Geschmack des obergärigen Biers mit dem geringeren Kohlensäuregehalt deutlich von einem Lagerbier. "Die wachsende Zahl an Brauereien ist das Ergebnis einer unglaublichen Nachfrage nach gutem Qualitätsbier", sagt Neil Hinchley, Chef der zwei Jahre alten Crate-Brauerei. Im vergangenen Jahr wurden in Großbritannien laut der Gesellschaft unabhängiger Brauer insgesamt 1,55 Millionen Fässer von Hand gebrauten Biers getrunken, rund acht Prozent mehr als 2012.

Robert Pfingsttag prostet seinen Kollegen zu. Er hat bereits vier verschiedene Ale-Sorten getestet und findet die Geschmäcker "sehr interessant". Die Neugier und Offenheit der Biertrinker treffen auf die Experimentierfreudigkeit der Mikrobrauerei-Szene. Jede hat ihr eigenes Konzept, und statt Einheitlichkeit anzubieten, locken sie mit besonderen Geschmäckern. "Die Leute wollen etwas Neues ausprobieren", sagt der Engländer Garry Fish. Zudem seien heimische Produkte wieder angesagt, auch bei Getränken.

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