Bananen statt Dudelsäcke

Vancouver · Vancouver. Eigentlich bräuchten Stammbäume einen Hinweis mit der Warnung: "Achtung, das Erforschen der Familiengeschichte kann zu nachhaltigen Überraschungen führen." Im Fall des Kanadiers David Dossett war es im wahrsten Sinne des Wortes ein dunkles Geheimnis. Dossetts Haar ist rötlich und seine Haut weiß. Aber als er seinen Stammbaum erforschte, sah er schwarze Haut

 David Dossett als Jugendlicher mit seinem Großvater John B. Sampson, daneben ein Familienbild der Sampsons in Jamaika vor der Auswanderung im Jahr 1907. Fotos: Caroline Morgan/David Dossett

David Dossett als Jugendlicher mit seinem Großvater John B. Sampson, daneben ein Familienbild der Sampsons in Jamaika vor der Auswanderung im Jahr 1907. Fotos: Caroline Morgan/David Dossett

Vancouver. Eigentlich bräuchten Stammbäume einen Hinweis mit der Warnung: "Achtung, das Erforschen der Familiengeschichte kann zu nachhaltigen Überraschungen führen." Im Fall des Kanadiers David Dossett war es im wahrsten Sinne des Wortes ein dunkles Geheimnis. Dossetts Haar ist rötlich und seine Haut weiß. Aber als er seinen Stammbaum erforschte, sah er schwarze Haut. Zeit seines Lebens hat der 51-jährige Computerexperte aus Kingston in der Provinz Ontario geglaubt, von katholischen Iren und protestantischen Schotten abzustammen.Doch als er seiner Tochter half, für einen Schulaufsatz den Teppich seiner Familiengeschichte aufzurollen, stieß er darunter nicht auf Schottenröcke und Dudelsäcke, sondern auf Bananen in Jamaika.

Im Internet und durch eine ferne Verwandte fand er heraus: Seine Vorfahren mütterlicherseits waren keine weißen Protestanten, sondern schwarze Juden aus Afrika. Als sie 1907 nach einem Erdbeben von Jamaika nach Kanada einwanderten, waren sie nicht mehr ganz so schwarz, denn weißes Blut hatte sich darunter gemischt. So gingen sie in Kanada glatt als leicht getönte Weiße durch.

Dossetts Großvater John B. Sampson hatte stets seine Herkunft verleugnet. Man kann die Verblüffung seines Enkels nachfühlen. "Es dauert ein bisschen, bis man das wirklich begriffen hat", sagt er. Einige seiner Verwandten möchten lieber nichts davon wissen. Dass ihre Familie aus Afrika stammt und schwarz war, können sie nicht fassen. Natürlich ist man hinterher immer klüger. Jetzt ist Dossett zum Beispiel klar, warum es in den Armee-Dokumenten von Großvater Sampson hieß, er habe eine "gelblich-fahle" Gesichtsfarbe. Der Kanadier trägt seinem Opa aber nicht nach, dass der sich als in Toronto geborener Weißer ausgab: Schwarze Soldaten durften während des Ersten Weltkriegs in Kanada keine Gewehre tragen. "Man traute ihnen nicht", sagt Dossett.

Selbst Dossetts weißer Vater, im Zweiten Weltkrieg ein britischer Kampfpilot, ahnte nichts, als er sich in Kanada in Dossetts Mutter, eine dunkelhaarige Schönheit, verliebte. Dossett hat ihm auf den Zahn gefühlt: "Er dachte einfach, sie sei gern braun gebrannt."

 David Dossett als Jugendlicher mit seinem Großvater John B. Sampson, daneben ein Familienbild der Sampsons in Jamaika vor der Auswanderung im Jahr 1907. Fotos: Caroline Morgan/David Dossett

David Dossett als Jugendlicher mit seinem Großvater John B. Sampson, daneben ein Familienbild der Sampsons in Jamaika vor der Auswanderung im Jahr 1907. Fotos: Caroline Morgan/David Dossett

David Dossetts Frau und die vier bleichgesichtigen Kinder finden die afrikanischen Vorfahren cool. Und auch Dossett selbst, der seinen Stammbaum ins Internet gestellt hat - "weil es eine tolle Geschichte ist und dazu noch wahr!" Auf den Spuren der Sampsons ist er sogar nach Jamaika gereist. Dort fand er heraus, dass die Familie wohlhabend und geschäftstüchtig war. Und erkannte, dass er zwar nicht deren Hautfarbe, aber einen Charakterzug von ihnen geerbt hat: "Sie waren genauso ehrgeizig, wie ich es heute bin!"

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