Ausnahmezustand an der Ostküste

Hoboken. Die Zeiger der Straßenuhren entlang der Washington Street stehen allesamt auf 9.03 Uhr. Eingefroren zu dem Zeitpunkt als Hurrikan "Sandy" in dem beliebten Wohnviertel die Lichter ausblies. "Hoboken lief wie eine Badewanne voll", beschreibt Bürgermeisterin Dawn Zimmer die Situation der Stadt in New Jersey

 Im Bundesstaat New Jersey - hier der Küstenort Seaside Heights - wütete Hurrikan "Sandy" besonders heftig. Insgesamt könnten die Sturm-Schäden bei 50 Milliarden Dollar liegen. Foto: Hindash/epa

Im Bundesstaat New Jersey - hier der Küstenort Seaside Heights - wütete Hurrikan "Sandy" besonders heftig. Insgesamt könnten die Sturm-Schäden bei 50 Milliarden Dollar liegen. Foto: Hindash/epa

Hoboken. Die Zeiger der Straßenuhren entlang der Washington Street stehen allesamt auf 9.03 Uhr. Eingefroren zu dem Zeitpunkt als Hurrikan "Sandy" in dem beliebten Wohnviertel die Lichter ausblies."Hoboken lief wie eine Badewanne voll", beschreibt Bürgermeisterin Dawn Zimmer die Situation der Stadt in New Jersey. Drei Tage nach dem Sturm sitzen hier noch immer 20 000 Menschen fest, überflutet von einer Brühe aus Fäkalien, Heizöl und anderen Abwässern. Es fehlt an allem. Generatoren, Taschenlampen, Batterien, Trinkwasser und Lebensmittel. Während die einzige Pumpe gegen die Wassermassen zwischen den Backsteinhäusern ankämpft, patrouilliert in den Straßen die Nationalgarde. Die Heimatschützer bringen Neugeborene in Sicherheit, sammeln Alte, Gebrechliche und Behinderte ein. Wer keine Verwandten in der Nähe hat, wird in Notunterkünfte gebracht.

Auf der anderen Seite des Hudson Rivers, in Manhattan, müssen die Menschen ohne die Segnungen der modernen Zivilisation auskommen. Dort, wo bis Sonntag alles nur eine Haltestelle oder einen Klick entfernt war, üben sich die New Yorker in Improvisation. In einigen Vierteln gibt es weiterhin keinen Strom. Ein Schicksal, das die New Yorker mit mehr als sechs Millionen Amerikanern an der Ostküste teilen. Es gibt kein Licht, die Aufzüge stehen still, Kühlschränke und Gefriertruhen tauen auf, aus den Duschhköpfen kommt eiskaltes Wasser. Wie Nomaden ziehen die New Yorker mit Handys, iPads und Laptops durch die Straßen, auf der Suche nach Generatoren, Cafés, Kneipen und Bankfoyers, in denen sie ihre Batterien aufladen können.

Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg hat ein Fahrverbot für Autos mit weniger als drei Passagieren verhängt, um zusätzliches Verkehrschaos zu verhindern. Wildfremde Menschen quetschen sich zusammen in Taxis, in einigen Vierteln das einzige Fortbewegungsmittel. Der U-Bahnverkehr läuft nur langsam wieder an. Vor allem die Verbindungen unter dem East-River nach Brooklyn bleiben geschlossen - die Röhren sind noch immer überflutet.

Während die Wolkenkratzer weitgehend unbeschadet davongekommen sind, sieht es am "Breezy Point" im New Yorker Stadtteil Queens wie nach der Apokalypse aus. Katastrophenschutz-Direktor Dennis Dier listet nüchtern die Statistik auf. "2834 Häusern sind fast vollständig zerstört, 111 sind abgebrannt und 85 Prozent stehen unter Wasser." Einige Einwohner haben alles verloren.

Ähnlich sieht es auch in vielen Küstenorten New Jerseys aus, die der Hurrikan besonders hart getroffen hat: Städte unter Wasser, aus den Grundfesten gerissene Häuser, zerquetschte Autos, umgestürzte Bäume - Zerstörung und Verwüstung überall. Große Sorge bereitet ein Heizöltank der Raffinerie im Städtchen Sewaren, aus dem Millionen Liter Diesel ausgetreten sind. Fieberhaft versuchen die Behörden zu verhindern, dass das Öl in den Woodbridge Creek gelangt und dort massive Umweltschäden verursacht.

 Im Bundesstaat New Jersey - hier der Küstenort Seaside Heights - wütete Hurrikan "Sandy" besonders heftig. Insgesamt könnten die Sturm-Schäden bei 50 Milliarden Dollar liegen. Foto: Hindash/epa

Im Bundesstaat New Jersey - hier der Küstenort Seaside Heights - wütete Hurrikan "Sandy" besonders heftig. Insgesamt könnten die Sturm-Schäden bei 50 Milliarden Dollar liegen. Foto: Hindash/epa

US-Präsident Barack Obama und der Gouverneur von New Jersey haben schnelle Hilfe für all diejenigen versprochen, deren Leben in der Sturmnacht durcheinandergewirbelt wurde. Die Aufräumarbeiten werden Monate dauern, der Schaden könnte bei 50 Milliarden Dollar liegen. Viele Gemeinden haben Ausgangssperren verhängt, um Plünderungen zu vermeiden. Die Opferzahlen steigen indes weiter. Bis gestern hatte der Jahrhundertsturm mindestens 88 Tote gefordert.

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