Auf Zeitreise zum Urknall

Genf. Mit dem Teilchenbeschleuniger LHC hat gestern bei Genf das größte Experiment der Wissenschaftsgeschichte den Betrieb aufgenommen. Nach fast 20-jähriger Vorbereitungszeit schickten Wissenschaftler des Atomforschungszentrums CERN den ersten Protonen-Strahl in die 27 Kilometer lange unterirdische Röhre des weltweit leistungsstärksten Beschleunigers

Genf. Mit dem Teilchenbeschleuniger LHC hat gestern bei Genf das größte Experiment der Wissenschaftsgeschichte den Betrieb aufgenommen. Nach fast 20-jähriger Vorbereitungszeit schickten Wissenschaftler des Atomforschungszentrums CERN den ersten Protonen-Strahl in die 27 Kilometer lange unterirdische Röhre des weltweit leistungsstärksten Beschleunigers. Der Large Hadron Collider bestand seinen ersten Test nach CERN-Angaben mit Bravour; Physiker im Kontrollraum feierten den erfolgreichen Probelauf mit Jubel und Applaus. CERN-Generaldirektor Robert Aymar sprach von einem "historischen Tag" für die Organisation. Beim ersten Testlauf wurde der Protonenstrahl Sektor für Sektor angehalten, um die Funktionen des gesamten Systems zu überprüfen. Nach nicht einmal 60 Minuten hatte das Protonenbündel die Testrunde in dem Beschleuniger zurückgelegt. "Niemand hätte sich vorstellen können, dass dies in weniger als einer Stunde möglich gewesen wäre", sagte ein Mitglied des Kontrollteams. Befürchtungen, dabei könnten Schwarze Löcher entstehen, die die Erde verschlucken, nannten die Forscher "absurd". Solche Kollisionen ereigneten sich unkontrolliert permanent im All und in der Erdatmosphäre.Der Probebetrieb des LHC soll mehrere Wochen dauern; von den folgenden Langzeitexperimenten erhoffen sich die Physiker Aufschluss über fundamentale Fragen wie die Entstehung des Universums und die Struktur der Materie. Die Forscher wollen in dem mehr als 100 Meter unter der Erde gelegenen LHC Protonen auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und miteinander kollidieren lassen. Dabei entstehende neue Teilchen könnten Antworten auf fundamentale Fragen der Physik liefern. "Wir erwarten Entdeckungen, die ziemlich spektakulär sein könnten", sagte der Physiker Daniel Denegri. Wissenschaftler aus aller Welt hoffen unter anderem darauf, dass im knapp 3,8 Milliarden Euro teuren LHC das geheimnisumwitterte Higgs-Teilchen nachgewiesen werden kann, das der gängigen Theorie zufolge den Elementarteilchen ihre Masse verleiht. Zudem wollen die Wissenschaftler Bedingungen wie unmittelbar nach dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren erzeugen, um Aufschluss über die Entstehung des Universums zu gewinnen. Die Experimente könnten auch zur Lösung des Rätsels beitragen, warum die sichtbare Materie im Kosmos nur vier Prozent ausmacht, 23 Prozent jedoch aus so genannter dunkler Materie und 73 Prozent aus noch völlig rätselhafter "dunkler Energie" bestehen. afp/dpa

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