Auf Teufel komm raus

Rom. Don Validio Fracasso hat einen neuen Job. Seit ein paar Wochen ist der Pater nicht mehr nur für die Seelsorge in der Gemeinde des norditalienischen Städtchens Cucciago zuständig. Don Validio bekommt es in letzter Zeit immer häufiger mit dem Teufel zu tun. Der Priester ist einer der zwölf offiziellen Exorzisten der Diözese Mailand

Rom. Don Validio Fracasso hat einen neuen Job. Seit ein paar Wochen ist der Pater nicht mehr nur für die Seelsorge in der Gemeinde des norditalienischen Städtchens Cucciago zuständig. Don Validio bekommt es in letzter Zeit immer häufiger mit dem Teufel zu tun. Der Priester ist einer der zwölf offiziellen Exorzisten der Diözese Mailand. Erst vor ein paar Wochen verfügte der Erzbischof Kardinal Angelo Scola die Erhöhung der Zahl von sechs auf zwölf. Die Nachfrage im Kampf gegen Dämonen ist nicht nur in seiner Diözese, sondern in ganz Italien erheblich."Mein Telefon steht nicht mehr still", erzählt Don Validio. Erst seit wenigen Wochen ist er im Amt. Er und seine Kollegen können sich vor Anfragen kaum retten, weshalb ihnen vom Erzbistum geraten wurde, Interessenten auch abzuweisen und einen strengen Terminplan einzuhalten. Laut Erzbistum hat sich die Nachfrage zuletzt beinahe verdoppelt. "Immer mehr Bischöfe sind überzeugt, dass Exorzismen ein wichtiges Mittel im Kampf gegen das Böse sind", behauptet Don Validio. Dann muss er das Gespräch beenden. Er hat den nächsten Termin. Krude Beschwörungen, Gebrüll, Flüche und Tobsuchtsanfälle wie etwa aus dem Film "Der Exorzist" (1973) bekannt, sind da nicht ausgeschlossen.

Jedes Jahr suchen 500 000 Menschen in Italien Exorzisten auf, das schätzt die Vereinigung katholischer Psychologen (AIPPC). Die rege Nachfrage hat nun dazu geführt, dass die Diözesen immer mehr Exorzisten einstellen. Nicht nur in Mailand, auch in Neapel wurde die Zahl zuletzt erhöht. Allein der Jesuitenpater Pasquale Puca will in Neapel innerhalb von drei Jahren 5000 Fälle behandelt haben. Und da ist noch der Nestor aller Dämonenbekämpfer, der offizielle Exorzist der Diözese Rom. Pater Gabriele Amorth behauptet, in 21 Jahren gar 70 000 Mal Dämonen nach katholischem Ritus vertrieben zu haben.

Bis heute sind Exorzismen mit der gängigen Lehrmeinung in der katholischen Kirche vereinbar und sogar gewünscht. Im Katechismus sind sie ausdrücklich erklärt. In Rom gibt es Schnellkurse für Teufelsaustreiber. Kurz nach seiner Amtseinführung im September 2005 ermutigte der deutsche Papst Benedikt XVI. die italienischen Exorzisten, "mit ihrem wertvollen Dienst an der Kirche fortzufahren".

Psychologen und Sektenbeauftragte warnen hingegen davor, psychologische Probleme zu dämonisieren. "Strafende Gottesbilder können eine tiefe Auswirkung etwa auf die Psyche haben", sagt Stefan Barthel von der Berliner Leitstelle für Fragen zu Sekten. So könnten irrationale Angstgefühle verstärkt werden, sinnvoll sei viel mehr psychologische Beratung. "Es ist gefährlich, menschliche Brüche einer dämonischen Figur zuzuordnen", sagt Barthel. In den vergangenen zehn Jahren wurde der Berliner Beratungsstelle kein einziger Fall von Exorzismus gemeldet.

Das legt den Schluss nahe, der Glaube an den Teufel sei vor allem in katholisch geprägten Gesellschaften verbreitet. Wissenschaftler erkennen außerdem Zusammenhänge zu sozialen Bedingungen. Nach einer Untersuchung der Universität Florenz wenden sich drei von zehn Italienern an Magier, Okkultisten oder Wahrsager, die besonders in wirtschaftlich kritischen Zeiten Zulauf haben. "Mein Telefon steht nicht mehr still."

Neu-Exorzist Validio Fracasso

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