Anschlag auf türkischen Schmuse-Sänger

Istanbul. Ibrahim Tatlises (Foto: dpa) ist nicht irgendein Sänger

Istanbul. Ibrahim Tatlises (Foto: dpa) ist nicht irgendein Sänger. "Ibo", wie er von seinen Fans genannt wird, hat in den vergangenen Jahrzehnten mit sentimentalen Liedern über Liebe und Einsamkeit eine Fangemeinde gewonnen, die sich nach Millionen misst, und ist ein steinreicher Mann geworden - bewundert wegen seiner Musik und gefürchtet wegen seiner angeblichen Verbindungen zur Mafia. Jetzt wurde er in Istanbul mit einer Kalaschnikow niedergemäht und liegt im Koma. Wer die Täter waren, ist unbekannt. Sicher scheint nur: Mit Musik hatte der Anschlag nichts zu tun, eher mit den undurchsichtigen Geschäften des Sängers.Als Kind einer armen Familie aus der kurdischen Provinz Sanliurfa schlug sich Tatlises als Bauarbeiter durch, als er entdeckt wurde. In den 1970er Jahren eroberte der schnauzbärtige Macho die Herzen der Türken, "süße Stimme" heißt sein Name auf Deutsch. "Er brachte die Musik und die Lebensweise des Ostens nach Istanbul", sagte die Istanbuler Musikprofessorin Songül Karahasanoglu unserer Zeitung. "Er ist ein Phänomen, auch in der arabischen Welt."

Denn nicht nur die Türken verfielen massenweise der "süßen Stimme". Iraner, Libanesen, Iraker, Syrer und Ägypter lieben ihn genauso. In Deutschland jubelten ihm die türkischen Migranten zu, 1998 trat er bei Harald Schmidt auf. Allerdings trat die Musik zuletzt immer mehr hinter den Geschäftsinteressen von Tatlises zurück. Er besitzt Restaurants und Hotels und investierte kürzlich in ein Wohnungsbauprojekt in der Stadt Erbil im Nordirak.

Immer wieder berichteten die Medien über seine Verbindungen zur organisierten Kriminalität. "Ist Ibrahim Tatlises ein Mafia-Pate?" fragte eine Zeitung einmal. Schlagzeilen machte er auch durch handfestes Macho-Gehabe: Er soll seine Freundinnen verprügelt haben, er heuerte angeblich sogar Auftragsschützen an, um eine Ex-Geliebte durch gezielte Schüsse in die Beine zu bestrafen.

Schon zweimal wurde auf "Ibo" geschossen, er entkam beide Male. Doch in der Nacht zum Montag hatte er weniger Glück. Eine Kugel schlug hinten in den Kopf ein und trat vorne wieder aus. "Ja gibt's denn sowas", soll er noch gemurmelt haben, bevor er ohnmächtig wurde. Selbst wenn er die Kopfverletzungen überlebt, dürfte seine Karriere beendet sein. gü

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