Amerika bangt um Hannah

San Diego · Ein brutales Verbrechen erschüttert die USA: Ein 40-Jähriger hat offensichtlich seine Nachbarin und vermutlich auch deren Sohn getötet. Nun ist er mit der 16 Jahre alten Tochter des Mordopfers auf der Flucht.

Er galt als der nette Nachbar und Freund der Familie, der stets hilfsbereit war. Doch dann begann der 40 Jahre alte James DiMaggio Zeugenaussagen zufolge, ein Auge auf die 16-jährige Hannah Anderson zu werfen. Das Mädchen fürchtete sich zuletzt vor dem Mann und empfand seine Annäherungsversuche als "pervers".

Seit fünf Tagen bangt ganz Amerika um das Leben der Schülerin - seit einem Verbrechen, das in der US-Kriminalgeschichte an Brutalität kaum zu überbieten ist. Denn bisher steht nach Angaben der Polizei in San Diego (Kalifornien) fest: DiMaggio muss Hannahs Mutter Christina (44) ermordet haben. Ihre Leiche wurde in seinem niedergebrannten Haus gefunden, das er offenbar mit Sprengstoff zum Einsturz brachte. In den Trümmern fanden Ermittler auch die sterblichen Überreste eines Kindes, bei dem es sich augenscheinlich um den achtjährigen Ethan - Hannahs Bruder - handelt. Der Vater von Ethan und Hannah geht jedenfalls mittlerweile vom Tod seines Sohnes aus, obwohl die Identifizierung noch nicht abgeschlossen ist.

Nach der grausigen Tat machte sich DiMaggio, ein Computer-Techniker, mit der Schülerin in seinem Auto auf die Flucht. Für das Motiv, eine unerwiderte Liebe zu dem attraktiven Teenager und offenbar auch sexuelle Absichten, gibt es klare Hinweise. So sagte DiMaggio erst kürzlich zu einer Bekannten Hannahs, als er die beiden Mädchen nach Hause fuhr: "Sie wäre meine Freundin, wenn ich im gleichen Alter wäre." In mittlerweile vier Bundesstaaten wird nach dem Entführer und seinem jungen Opfer gefahndet, bereits vier Mal meldeten Zeugen, seinen Nissan gesehen zu haben - zuletzt im Norden Kaliforniens und dann im Süden Oregons. DiMaggio gilt nach Polizeiangaben als hochgefährlich und könnte nicht nur sein Fahrzeug, sondern auch einen möglichen Fluchtort wie eine Waldhütte mit Sprengstoff gesichert haben. Der Entführer gilt als Naturfreund und Experte für ein Überleben in der Wildnis. Und die Region, in der sein Auto mit einem blonden Mädchen auf dem Beifahrersitz zuletzt gesichtet wurde, ist durch schwer zugängliche Waldgebiete geprägt. Auch die Grenzstellen zu Kanada und Mexiko wurden in Alarmbereitschaft versetzt. Auf Autobahnen geben elektronische Hinweistafeln das Kennzeichen seines Wagens bekannt.

Täglich appelliert mittlerweile der Vater von Hannah in großen US-Fernsehsendern wie CNN an seine Tochter: "Wenn Du eine Chance zur Flucht hast, nutze sie", sagt der im Bundesstaat Tennessee lebende Brett Anderson immer wieder. Ein solch radikaler Wandel im Verhalten des Familienfreundes seien für ihn und seine Frau nie absehbar gewesen, sagt er. "James war stets der freundlichste Mann, den man sich vorstellen kann." Und: "Er ist offensichtlich durchgedreht." Auch an ihn richtet Anderson derzeit eine Botschaft: "Du hast uns alles genommen. Lass wenigstens Hannah frei."