Amaretto für die Lunge

Berlin · Wie gefährlich sind elektrische Zigaretten? Wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse sind noch rar. Krebsforscher sorgen sich vor allem um die Jugend.

Die elektrische Zigarette erfreut sich in Deutschland wachsender Beliebtheit. Seit etwa fünf Jahren auf dem Markt, gibt es nach Angaben des Verbandes des E-Zigarettenhandels mittlerweile rund 2,2 Millionen Konsumenten, die das Rauchen mit technischen Mitteln simulieren, ohne dabei Tabak zu verbrennen. Die Hersteller versprechen den Nutzern eine gesunde Alternative zum herkömmlichen Glimmstängel. Doch das Deutsche Krebsforschungszentrum warnt in einer gestern veröffentlichten Studie, dass E-Zigaretten nicht so harmlos seien, wie es den Anschein habe.

Bei der E-Zigarette saugt der Konsument an einem Mundstück oder betätigt eine Taste, wodurch eine Flüssigkeit (Liquid) verdampft wird. Liquids gibt es in zahlreichen Geschmacksrichtungen wie etwa Himbeere und Kirsche, aber auch Amaretto und Cola. Den dabei entstehenden, als feiner Dampf sichtbaren Nebel atmet der Raucher ein. Hauptbestandteil der Flüssigkeit ist Propylenglykol, das auch als Lebensmittelzusatzstoff oder Feuchthaltemittel in Kosmetikprodukten dient.

Die meisten Liquids enthalten zudem Nikotin. Die Nikotinmenge sei aber nicht selten "ungenau oder sogar falsch deklariert", erläuterte die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention, Marina Pötschke-Langer. Dadurch könne es zu Überdosierungen bis hin zu Vergiftungserscheinungen kommen. Zudem enthalte der Nebel mancher Liquids krebserzeugende Substanzen wie Formaldehyd, Nickel oder Chrom.

In der Studie wird allerdings auch eingeräumt, dass die Forschungen über Risiken und Nebenwirkungen der E-Zigarette noch in den Kinderschuhen stecken, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse also rar sind. Dafür steht die Meinung vieler Konsumenten bereits fest. Umfragen zufolge greifen fast 80 Prozent zur E-Zigarette, um ihre Gesundheitsgefährdung zu verringern. Und immerhin drei Viertel glauben, sich mittels der E-Zigarette das klassische Rauchen abgewöhnen zu können. Für einen dauerhaften Entzug fehle es an Belegen, kontert die Krebs-Expertin Katrin Schaller. Nach der aktuellen Datenlage könnten die E-Zigarette aber Entzugssymptome lindern. Für Schaller und ihre Kollegen ist das freilich kein Trost. In der Studie wird auch zu bedenken gegeben, dass die E-Zigarette gerade jungen Nichtrauchern als Einstieg in den herkömmlichen Tabakkonsum dienen könne. Schließlich sei sie auch ein Lifestyle-Produkt.

Der EU-Kommission ist der Aufschwung der E-Zigarette ebenfalls schon länger ein Dorn im Auge. Gesundheitskommissar Tonio Borg will dafür sorgen, dass nur noch Produkte mit geringem oder gar keinem Nikotingehalt frei verkäuflich sind. Ab einem Schwellenwert von vier Milligramm pro Milliliter Flüssigkeit, so Borgs Plan, sollen E-Zigaretten EU-weit nur noch in Apotheken erhältlich sein. Das Krebszentrum macht sich derweil für eine generelle Apothekenpflicht stark. Denn selbst E-Zigaretten ohne Nikotin seien für Jugendliche nicht unproblematisch. Außerdem könnten die Hersteller das EU-Vorhaben durch eine falsche Deklarierung unterlaufen.

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