Als „Post-Angestellter“ im Weltraum

Rautenkranz · Der erste Deutsche im All wird 80. Die sozialistische Welt feierte Sigmund Jähn als Helden, im Westen blieb er unbekannt.

 Sigmund Jähn lebt heute relativ zurückgezogen bei Berlin. Foto: dpa

Sigmund Jähn lebt heute relativ zurückgezogen bei Berlin. Foto: dpa

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Sieben Tage, 20 Stunden und 49 Sekunden blieb er im All. Er war der erste Deutsche im Weltraum - und DDR-Bürger. Sigmund Jähn startete am 6. August 1978 mit der Rakete "Sojus 31" vom russischen Raumfahrtzentrum Baikonur aus, gemeinsam mit dem sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski (82). Heute feiert Jähn seinen 80. Geburtstag - ganz privat. Für größere Aktionen fehle ihm einfach die Zeit und auch die Stimmung, teilte er mit.

Sein Flug machte den Oberstleutnant der DDR-Volksarmee über Nacht in der sozialistischen Welt berühmt. Erst 1983 folgte als zweiter Deutscher Ulf Merbold aus dem Westen. Er war als einziger Deutscher dreimal im All. Der Astronaut Merbold und der Kosmonaut Jähn sind seit Jahren befreundet. "Wir teilen gemeinsam die Erfahrung, dass man in 90 Minuten den Erdball umrundet und von dort oben keine Grenzen mehr sieht", sagt der 75-jährige Merbold. "Und wir beide stammen aus dem Vogtland." "Eine Woche lang ging die Sonne an einem Tag sechzehn Mal auf und sechzehn Mal unter", schrieb Jähn wenige Jahre nach dem Flug ("Erlebnis Weltraum", 1983). "Eine Woche lang verloren die Gesetze der Schwerkraft scheinbar ihre Wirkung, war es völlig gleichgültig, ob ich mit dem Kopf nach "oben" oder nach "unten" hing." Das Außergewöhnliche sei ihm erst später zu Bewusstsein gekommen.

Jähn lernte Buchdrucker und wurde dann Jagdflieger. 1976 wählte ihn die DDR als einen der Kandidaten für einen möglichen sowjetischen Weltraumflug aus. Ausbildung und Vorbereitung auf die Mission erfolgten im Sternenstädtchen bei Moskau.

Auf die Folgen der Schwerelosigkeit wollte sich Jähn besonders gut vorbereiten. Unter die vorderen Beine seines Ehebettes legte er Bücher, damit er sich an den Blutandrang im Gehirn gewöhnen konnte, schrieb er in seinem Buch.

125 Mal umkreiste Jähn den Planeten. An Bord erledigte er zahlreiche Experimente und machte Aufnahmen von der Erde mit der Multispektral-Fotokamera MKF-6 aus Jena. Er hatte auch den Status eines "Angestellten der Deutschen Post im Weltraum": Mit einer für das All geeigneten Apparatur stempelte er Sonderpostwertzeichen ab. An Bord durfte er nur ein Kilogramm persönliches Gepäck mitnehmen. In Erinnerung an seine vogtländische Heimat nahm er eine Postkarte von Markneukirchen mit. Außerdem hatte er offizielle Mitbringsel für seine Mit-Kosmonauten dabei, wie das Kommunistische Manifest und Goethes "Faust", aber auch die Figur des Fernseh-Sandmännchens.

Am 3. September 1978 landeten Jähn und Bykowski mit einer Kapsel wohlbehalten in der kasachischen Steppe. Der damals 41-Jährige behielt allerdings Schäden an der Wirbelsäule zurück, wie er Jahre später eingestand.

In den Jahren danach wurde Jähn als politische Figur der DDR-Führung gesehen und als Held gefeiert. Er reiste in offiziellen Delegationen mit. Später zierte sein Gesicht Gedenkmünzen und Briefmarken. Er habe sich nie als Held gefühlt, sagt Jähn später.

 125 Mal umkreiste Kosmonaut Sigmund Jähn 1978 die Erde. Fotos: dpa

125 Mal umkreiste Kosmonaut Sigmund Jähn 1978 die Erde. Fotos: dpa

Nach der Wende und der Abwicklung der DDR-Volksarmee wurde der Kosmonaut arbeitslos. Sein Freund Merbold brachte ihn beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter. In den folgenden Jahren bildete der erste Deutsche im All im Sternenstädtchen europäische Astronauten aus. Jähn lebt heute in Strausberg bei Berlin.

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