Aliens bedrohen Europa

Brüssel · Gebietsfremde Tiere und Pflanzen dringen immer weiter nach Europa vor. Am Freitag befassten sich die EU-Umweltminister erstmals mit dieser Invasion, die handfeste wirtschaftliche Schäden anrichtet.

Die EU-Kommission denkt bereits über verschärfte Grenzkontrollen auch zwischen den Mitgliedstaaten nach. Rund 12 000 Pflanzen- und Tierarten sind dabei, Europa zu erobern. Mehr als 400 hat das Bundesamt für Naturschutz bereits in Deutschland ausgemacht. Mindestens 15 Prozent sind zerstörerisch oder gefährlich - einige sogar tödlich. Am Freitag befassten sich die Umweltminister der EU erstmals mit dem Vordringen der gebietsfremden Arten, die im offiziellen EU-Wortlaut "invasive Aliens" heißen

Dazu gehören die Asiatische Riesenhornisse oder die Asiatische Tigermücke, deren Stich im ungünstigsten Fall tödlich sein kann. Einige der Pflanzen wie der Japan-Staudenknöterich, die Späte Goldrute und der Riesen-Bärenklau sollen in Deutschland sogar mit einem Handelsverbot belegt werden. Hilfe suchend bat das Bundesamt für Naturschutz die Bürger bereits, Wassergewächse wie den Großen Wassernabel oder Strauchpflanzen wie den Pontischen Rhododendron aus den Gärten und Teichen zu entfernen. Längst geht es nach Angaben der EU-Kommission nicht mehr nur um die Erstickung der Artenvielfalt, sondern um handfeste wirtschaftliche Schäden. Der Japan-Staudenknöterich beschädigt Gebäude, der Signalkrebs vernichtet als Träger der Krebspest heimische Krebsarten. In Brüssel werden die Schäden für Landwirte, Haus-Besitzer und Sozialversicherungen durch Gesundheitsschäden auf zwölf Milliarden Euro geschätzt.

"Wenn wir jetzt nicht etwas tun, werden wir der Lage nicht mehr Herr", warnen die Experten der EU. Anders als Australien und Neuseeland, wo bereits seit längerem scharfe Gesetze gegen die Bio-Invasoren in Kraft sind, bewegt sich Europa erst langsam und spät. Da die Insekten und Gewächse an den Grenzen nicht haltmachen, sei ein gemeinsames Handeln der 28 EU-Länder nötig, betonten die Minister am Freitag in Brüssel. Auf der Liste möglicher Aktionen stehen ein vollständiges Verbot von Einfuhr, Verkauf, Anbau, Zucht, Verwendung und Freisetzung - zumindest für die als besonders aggressiv geltenden Arten. Darüber hinaus sollen Grenzschützer einreisende Urlauber und Geschäftsleute gezielt durchsuchen. Ein EU-weites Überwachungssystem sei nötig. "Noch stehen wir am Anfang der Ausbreitung", sagte die Präsidentin des Bundesamt für Naturschatz, Beate Jessel. "Damit besteht die berechtigte Chance, mit relativ geringem Aufwand die Gefährdung durch eine vollständige Beseitigung frühzeitig abzuwehren." Doch der Kampf müsse "sehr schnell aufgenommen werden", betonten die Minister in Brüssel. Allerdings werden sich die Beratungen über den Aktionsplan der EU-Kommission hinziehen. Neben den Umweltministern müssen auch die Europa-Abgeordneten entscheiden. Die aber werden im Mai nächsten Jahres erst neu gewählt, so dass mit einer gezielten Aktion wohl erst 2016 begonnen werden kann.

Bis dahin hat die Kommission zur Selbsthilfe aufgerufen. Ihre Bitten an die Bürger:

Bringen Sie keine gebietsfremden Arten mit aus dem Urlaub.

Werfen Sie diese Pflanzenarten nicht einfach in die Umwelt, wenn Sie sie nicht länger behalten wollen.

Achten Sie beim Transport darauf, dass es nicht zur Beschädigung der Verpackung kommt.

Verhindern Sie, dass sich solche Pflanzenarten weiter ausbreiten können.

Melden Sie es an die Warnstellen der EU und der Mitgliedstaaten, wenn Ihnen solche Arten auffallen.

Zum Thema:

Auf einen BlickAuch im Saarland sind invasive Arten auf dem Vormarsch. "Probleme bereiten der japanische Staudenknöterich und der Riesen-Bärenklau", berichtet der Saarbrücker Biologe Ralf Kohl, "aber auch das drüsige Springkraut. Wobei das nicht ganz so problematisch ist wie die beiden anderen." Das Hauptproblem beim Riesen-Bärenklau ist seine Fototoxität: Unter Einfluss von Sonnenlicht wird sein Saft giftig. "Wenigstens bietet er Bienen eine Weidemöglichkeit", sagt Kohl. Anders der Staudenknöterich, "der Insekten nichts bietet und unglaublich in die Höhe schießt." Sein Blätterdach wird so dicht, "dass unter ihm gar nichts mehr wächst". Im Tierreich sind es zuvorderst Kormorane, die sich im Saarland breitgemacht haben. Fremdartige Mücken oder Hornissen stellen laut Kohl kein Problem dar. tog

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