Ärger über Touristenaufschlag

Rom · Mehr als das Fünffache bezahlen Venedig-Touristen für den Wasserbus oder die öffentliche Toilette im Vergleich zu Einheimischen. Ein Belgier hat deshalb nach seinem Urlaub Klage eingereicht.

Sein Name ist der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt. Also nennen wir den Mann aus Belgien einfach Marc Mertens. Mertens war mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Venedig zu Besuch. Ein paar entspannte Tage in der "Serenissima", dieser bezaubernden Insel-Stadt in Norditalien. Von wegen. Als Mertens zurück nach Belgien kam, setzte er eine Klage bei der EU-Kommission auf. Der Grund: Venedig verstoße mit seiner Behandlung von Touristen gegen das Diskriminierungsverbot und die Dienstleistungsfreiheit.

Ob die am 1. Mai in Brüssel eingegangene Beschwerde Erfolg haben wird, steht dahin. Bis dahin könnte es aber sein, dass Mertens noch ein paar Gesinnungsgenossen finden wird, die sich wie er über die Sonderbehandlung von Touristen in Venedig empören. Die zahlen nämlich für Service-Leistungen in der Stadt bedeutend mehr als Einheimische.

Mertens hat es vorgerechnet. Mit seiner Frau und den beiden Kindern zahlte er für eine Fahrt mit dem Vaporetto, den früher mit Dampf (vapore) betriebenen Wasserbussen, vom Bahnhof bis zur Piazza San Marco und zurück 56 Euro, während eine venezianische Familie für dieselbe Strecke gerade einmal 10,40 Euro bezahlen müsste. Der Besuch im Museum des Palazzo Ducale schlug für die Touristenfamilie mit 58 Euro zu Buche, während Einheimische gratis Eintritt bekommen. Sogar beim Toiletten-Gang sahen sich die Belgier diskriminiert: Zwölf Euro statt zwei Euro für eine vierköpfige Familie.

Mertens gab in seiner Beschwerde zu bedenken, welch Sturm der Entrüstung sich entladen würde, sollten auch Städte wie London, Paris oder Rom Vorzugstarife einrichten. Dazu ist zu sagen, dass etwa in Rom inoffiziell bereits eine Touristenpreisklasse existiert. Wer in den Bars im Zentrum speist, muss darauf hinweisen, dass er in der Nähe arbeitet und statt drei Euro für das Wasser nur einen Euro bezahlen möchte. Dann wird Rabatt gewährt. In Siena müssen Einheimische nichts für einen Museumsbesuch bezahlen. Italien wurde 2003 wegen Vorzugstarifen in Museen bereits vom Europäischen Gerichtshof verurteilt.

Venedig sieht sich als Sonderfall. Der Verkehrsverbund weist etwa darauf hin, dass wegen der Touristenmassen im Sommer eigens Personal eingestellt werden müsse. Das Grundproblem ist der Ansturm auf die Lagunenstadt. Bis zu 25 Millionen Besucher kommen jedes Jahr nach Venedig, nur noch 59 000 Einwohner leben hier und fühlen sich nicht selten wie Ausstellungsstücke in einem Freiluftmuseum. Immer wieder wurde diskutiert, eine begrenzte Zahl von Touristen in die Stadt zu lassen.

Silvio Testa von der Bürgerinitiative No Grandi Navi, die gegen die Ankunft der großen Kreuzfahrtschiffe in Venedig und die über die Stadt herfallenden Menschenmassen kämpft, sagt: "Die verschiedenen Preise für Einheimische und Touristen sind das kleinere Übel. Viel schlimmer ist der Touristen-Tsunami, dem Venedig ausgeliefert ist." Seine Heimatstadt sei kein Freilichtmuseum, sondern habe schon viel mehr von Disneyland.

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