Spenden für Gesundheitsdienst 99-Jähriger sammelt mit dem Rollator Millionen

London · Veteran Tom Moore dreht täglich eine Gartenrunde – und unterstützt damit den britischen Gesundheitsdienst.

Der 99 Jahre alte Tom Moore wollte lediglich seinen Dank ausdrücken – gegenüber jenen Ärzten, Schwestern und Pflegern, die ihm während seiner Krebserkrankung sowie seiner Hüftbruch-Behandlung geholfen haben. Also fing der britische Weltkriegsveteran an, die 25 Meter seines Gartens im Dorf Marston Moretaine in der englischen Grafschaft Bedfordshire abzuschreiten. Mit Hilfe des Rollators, so dachte sich der Rentner, könnte er jeden Tag zehn Bahnen spazieren und dies auf einer Spendenplattform dokumentieren – bis er sein Ziel erreicht haben würde, 100 Mal auf und ab zu gehen. So wollte Moore bis zu seinem 100. Geburtstag Ende April 1000 Pfund, umgerechnet etwa 1150 Euro, an Spenden sammeln – Geld, das an den nationalen Gesundheitsdienst NHS fließen sollte.

Doch es kam alles anders. Es kam besser, als er je zu träumen gewagt hatte. Bis Mittwochmittag gingen über die Plattform JustGiving fast sieben Millionen Pfund, rund acht Millionen Euro, ein. Und der Strom an Spenden reißt nicht ab. „Wow – einfach sprachlos“, schrieb „Captain Tom“ via Twitter, als die Fünf-Millionen-Pfund-Marke erreicht war. Er mache das „wegen des Service, den ich persönlich vom NHS und von den tollen Schwestern und Pflegern erhalten habe, die immer so nett und geduldig sind“, sagte er in einem Interview, für das sich der Veteran seine militärischen Abzeichen und Orden ans Revers seines Anzugs heftete. „Dieses Mal trägt unsere Armee die Uniformen der Ärzte, Krankenschwestern und Pfleger.“

Der aus Steuermitteln gespeiste und nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete NHS ist marode und unterfinanziert, stellt aber die heilige Kuh auf der Insel dar und wird insbesondere in der jetzigen Coronavirus-Krise wie eine Ersatzreligion zelebriert. Moore zeigte sich „überwältigt“ von der Unterstützung der Menschen. „Es ist fast unglaublich, oder?“ Eine Antwort auf seine Frage gab er selbst: „Wenn man bedenkt, für wen das Geld ist – für all die mutigen und hervorragenden Pflegekräfte und Ärzte, die wir haben – sie haben jeden Penny verdient“, so Moore. Mit dem Geld soll unter anderem medizinischem Personal, Ehrenamtlichen und Patienten, die von Covid-19 betroffen sind, geholfen werden. Außerdem ist es für die psychische Betreuung von NHS-Mitarbeitern und ihren Familien gedacht und soll darüber hinaus für die Unterstützung von Patienten durch Gemeindegruppen nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eingesetzt werden.

Um dem Spendensammler zu danken, startete wiederum ein achtjähriges Mädchen eine Kampagne, mit der es andere Kinder ermutigen will, Moore zum 100. Geburtstag Karten zu basteln, malen und schreiben. Das Ziel von Reegan Davies aus Wales: 1500 virtuelle Grüße, die in den sozialen Medien unter dem Hashtag #makeacardfortom an den Jubilar, an die „Legende TOM“, wie die Achtjährige schreibt, gehen sollen. Ermutigt und angefeuert von tausenden Menschen aus aller Welt will Moore auch nach 100 Gartenrunden nicht aufhören. „Lasst uns alle weitermachen.“

Der Brite hat wache Augen und trägt noch immer Schnurrbart, wie bereits auf den Fotos aus seiner Zeit als Soldat in Uniform. Während des Zweiten Weltkriegs war der Hauptmann in Indien und Burma, dem heutigen Myanmar, stationiert. Die auf der Spenden-Website veröffentlichten Bilder zeigen ihn auch als jungen Mann auf einem Motorrad, als lächelnder Vater und Großvater, umringt von seinen Kindern und Enkeln. Er wirkt wie ein glücklicher Mann. Und seine tröstende wie aufbauende Botschaft gibt in diesen von negativen Nachrichten bestimmten Zeiten vor allem Zuversicht: „Morgen ist ein guter Tag.“

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