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Wiesbaden/Berlin. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, wird als Schaltjahrkind morgen endlich volljährig. Denn streng genommen feiert der am 29. Februar 1940 geborene Breslauer dieses Jahr erst seinen 18. Geburtstag
Wiesbaden/Berlin. Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts, wird als Schaltjahrkind morgen endlich volljährig. Denn streng genommen feiert der am 29. Februar 1940 geborene Breslauer dieses Jahr erst seinen 18. Geburtstag. "Das ist ein ganz gutes Gefühl - ich habe eine schön lange Trainingszeit hinter mir, um meine Volljährigkeit richtig nutzen zu können", sagte Lehmann.Auch früher hat er sich nicht über seine ausgefallenen Geburtstage geärgert. "Mir ist das Dasein als Schaltjahrkind immer gut bekommen", versichert er. "Ich bin ein Mensch, der gern feiert. Deshalb habe ich immer am 28. Februar mit meiner Familie gefeiert und am 1. März in der Arbeit. Und wenn's dann mal einen 29. Februar gibt, denken wahrscheinlich sehr viel mehr Leute an mich, als wenn ich am 29. März Geburtstag hätte. Das ist wirklich schön."
Der Schalttag ist ein Tag, der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe 1802 zu einem Rätsel an seinen Freund Friedrich Schiller inspirierte. "Ein Bruder ist's von vielen Brüdern, In allem ihnen völlig gleich, Ein nötig Glied von vielen Gliedern, In eines großen Vaters Reich", reimte Goethe und sprach von einem "eingeschob'nen Kind". Schiller antwortete stilgerecht in Versform und schloss mit den Worten: "Es ist der Schalttag, den du meinst."
Schätzungsweise 55 000 Deutsche sind an diesem Tag geboren. Dieses Jahr werden sie mit Glückwunschsendungen beispielsweise bei Radio Bremen oder Geburtstagsgottesdiensten etwa in der Wiesbadener Marktkirche gefeiert. "Auf der Orgel erklingt die 29. Kantate von Johann Sebastian Bach", sagt der Wiesbadener Pastor Jeffrey Myers, der auch Rituale zum Schalttag kennt. Etwa die irische Tradition, dass ein Mann, der an einem 29. Februar einen Heiratsantrag bekommt, einwilligen muss.
"Lehnt er ab, muss er zahlen - die Strafe reicht von einem Kuss über Handschuhe bis zum Stoff für ein neues Kleid", weiß Myers und ergänzt: "Die Griechen glauben, dass es Unglück bringt, am Schalttag zu heiraten." Auch in Deutschland ist das Datum für das Ja-Wort nicht sonderlich gefragt. "Normalerweise sind besondere Termine immer beliebt", sagt Kerstin Godenschwege aus dem Standesamt in Hamburg-Altona. "Doch der 29. Februar ist da eine Ausnahme." Nur alle vier Jahre Hochzeitstag feiern schreckt wohl ab.
Doch nicht nur für Geburtstagskinder ist der 29. Februar ein Geschenk. Auch der Wirtschaft kommt der Einschub im Kalender gerade recht, denn durch den zusätzlichen Werktag lockt ein Produktivitäts-Plus in Milliardenhöhe. Bloß: Den gewonnenen Tag wird wohl kaum jemand als solchen bemerken, meint der Soziologe und Zeitforscher Hartmut Rosa. "Die Logik des Schnell-noch-was-erledigen hält sich nicht an definierte Zeitrahmen", weiß der Professor der Universität Jena. "Gib uns einen Tag mehr, und die Aufgaben werden uns finden. Der Zeitgewinn ist gleich null."
Das ist Cornelius Bauerochse aus Heidelberg egal. Er wird morgen acht Jahre alt und will groß feiern. "Ich habe die Einladungen schon im Januar verschickt", sagt er. Selbst der Kuchenwunsch steht schon: "Es soll Schoko-Sahne-Windbeutel geben und einen Marmorkuchen", sagt er. dpa/epd