Coronavirus 8,5 Millionen Schüler bleiben zuhause

Rom · Wegen des Coronavirus lässt Italien wochenlang Schulen und Universitäten schließen.

Ein Zettel verkündet die Schließung der Ennio-Quirino-Visconti-Schule in Rom. In ganz Italien müssen Schüler zuhause bleiben.

Ein Zettel verkündet die Schließung der Ennio-Quirino-Visconti-Schule in Rom. In ganz Italien müssen Schüler zuhause bleiben.

Foto: AP/Andrew Medichini

Strahlender Frühlingshimmel am Donnerstagvormittag in Rom. Im Park der Villa Pamphili im Westen der Stadt begegnet man zu dieser Tageszeit normalerweise nur ein paar Joggern. An diesem Tag ist es anders: Eltern sind mit ihren Kindern unterwegs. Auf dem Spielplatz sieht man Mütter mit Kindern im Kindergartenalter. Auf einer Wiese spielt ein Vater mit seinem Sohn Fußball. Mitten unter der Woche. Italien hat schulfrei. Wegen des Coronavirus verfügte die Regierung am Mittwochabend die Schließung von Schulen und Universitäten im ganzen Land, zunächst bis zum 15. März. Italien gilt als Hauptinfektionsherd in der EU. Bislang wurden 3089 Infektionen gemeldet, mehr als 100 Menschen starben.

Gino Pezzi kickt mit seinem zehnjährigen Sohn auf der Wiese. „Meine Frau ist im Büro, ich habe mir freigenommen“, sagt Pezzi. Sohn Simone scheint überglücklich: „Grande Conte!“, lobt er den Ministerpräsidenten überschwänglich für die Schulschließungen. So etwas hat die italienische Republik noch nicht erlebt. Unterrichtsausfall wegen einer Epidemie. Die Schüler sind glücklich, die Eltern besorgt. „Bis gestern lief alles normal“, erzählt der Vater. Jetzt sei der Ausnahmezustand auch in Rom angekommen. Bislang waren die Schulen nur in der Lombardei, im Veneto und in der Emilia-Romagna geschlossen. „Wir sind jetzt vorsichtig“, sagt Pezzi. Er hält mindestens einen Meter Distanz zu anderen Menschen, wie von der Regierung in einem Dekret gefordert. Selbst auf die in Italien üblichen Küsse und Umarmungen verzichtet die Familie.

8,5 Millionen italienische Schüler sind nun zuhause, die Familien vor eine große Herausforderung gestellt. Die Regierung hat angekündigt, einem von beiden Elternteilen freie Tage genehmigen zu wollen. Vielerorts werden auch die Großeltern eingesetzt. Doch die sind oft bereits über 75 Jahre alt und sollen deshalb wegen Ansteckungsgefahr zuhause bleiben, wie die Regierung per Dekret forderte. Sie bereitet sich auf die weitere Ausbreitung der Infektion vor. So soll die Bettenanzahl auf den Intensivstationen der Krankenhäuser um 50 Prozent erhöht werden, auf den pneumologischen und auf Infektionskrankheiten spezialisierten Stationen gar um 100 Prozent. Im Notfall sollen Patienten auf private Kliniken umverteilt werden, um in den öffentlichen Strukturen Platz für Corona-Fälle zu schaffen.

Diese Vorbereitungen stehen im Zusammenhang mit der Schließung von Schulen und Universitäten. „Das Gesundheitssystem kann noch so gut sein“, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Mittwoch. Es drohe die Gefahr eines Kollapses der Krankenhäuser. „Wenn sich die Krise exponentiell so weiter entwickelt, könnten wir Probleme mit den Plätzen auf Intensivstationen bekommen“, begründete er die Maßnahme. Angesichts von 587 neuen Ansteckungen, die alleine zwischen Dienstag und Mittwoch gezählt wurden, geht es nun darum, die Infektionskette zu verlangsamen. Intern gab es allerdings keine Einstimmigkeit über die Notwendigkeit der Schulschließungen. Das wissenschaftliche Komitee der Regierung soll Zweifel am Nutzen der Maßnahme gehabt haben.

Wie Forscher des Staatlichen Krankenhauses Mailand und des Sacco-Klinikums anhand der Gensequenzen des Sars-CoV-2-Erregers feststellten, war der Virus bereits seit Wochen in Italien in Umlauf und nicht erst seit Entdeckung der Infektionsherde in Lombardei und Veneto am 21. Februar. Dem Regierungsdekret zufolge müssen Großveranstaltungen, Messen und Konferenzen in Italien abgesagt werden. Die Fußballliga Serie A trägt ihre Spiele bis zum 4. April ohne Publikum aus. Die Auflagen für die Spieler sind kurios: So sollen sie sich beim Torjubel nicht umarmen, nicht aus denselben Flaschen trinken oder Trikots tauschen.

Im Veneto, wo in der Provinz Padua einer der beiden Infektionsherde in Italien ausgemacht worden war, sind die Schulen bereits die zweite Woche geschlossen. Nun folgen weitere schullose Tage, ohne dass ein Ende abzusehen ist. Gabriella Arditi ist Großmutter von zwei Enkeln, die nun in Pianiga zwischen Padua und Venedig in ihrer Obhut sind. „Spazieren gehen, Fahrrad fahren, Ballspielen, einkaufen“, so beschreibt sie den Tagesablauf. Es klingt so, als ob sie nichts gegen die baldige Wiederöffnung der Schulen einzuwenden hätte.

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