Prozessauftakt in Heilbronn „Dann sah ich Ole in der Wanne drin“

Heilbronn · Nach dem gewaltsamen Tod eines Siebenjährigen steht seit gestern die langjährige Betreuerin des Jungen in Heilbronn vor Gericht. Die 70-Jährige soll das Kind erwürgt und in einer Badewanne abgelegt haben.

 Die Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft die zuletzt länger werdenden Trennungszeiten mit dem Jungen nicht mehr ertragen – und sich deshalb entschlossen, das Kind zu töten.

Die Angeklagte hat laut Staatsanwaltschaft die zuletzt länger werdenden Trennungszeiten mit dem Jungen nicht mehr ertragen – und sich deshalb entschlossen, das Kind zu töten.

Foto: dpa/Roland Böhm

„Er war so kalt. Furchtbar kalt.“ Wie vorher oft im warmen Bett, habe sie sich neben den Sohn gelegt, nachdem ihr Mann das tote Kind aus der Badewanne gehoben und im Wohnzimmer auf den Boden gelegt habe.

Tränenerstickt erzählte die 41 Jahre alte Mutter gestern im Landgericht Heilbronn vom schrecklichsten Tag ihres Lebens Ende April. Sie habe ihrem bereits steifen Sohn Wärme geben wollen. „Das war das Einzige, was ich tun konnte.“ Doch es war längst zu spät. Die „Pflege-Oma“, eine 70-jährige Frau aus Künzelsau, soll den sieben Jahre alten Jungen getötet und in ihre Badewanne gelegt haben. Sie steht nun wegen Totschlags vor Gericht. Und sagt bisher kein Wort.

„Sie war wie eine Oma für uns“, erzählt die Mutter. Auch ihr einziges Kind habe stets von „Oma Elisabeth“ gesprochen. Über die Jahre sei die Angeklagte eng an die Familie herangewachsen. Zwischen dem Kind und der Frau sei es „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen, berichtet der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth aus Akten.

Im Kita-Alter sei der Junge oft mehrmals in der Woche bei der Betreuerin gewesen – vor allem, wenn er krank war, beide Eltern aber zur Arbeit mussten. Sehr gerne habe der Junge auch bei „Oma Elisabeth“ übernachtet. So sollte es auch am 27. April 2018 sein. Die Eltern wollten zu einem Konzert gehen, was sie nicht häufig taten. „Unser ganzes Leben war auf ihn ausgerichtet. Er war unser Mittelpunkt, unser Ein und Alles.“

„Warum?“, ruft die Mutter gegen Ende ihrer Aussage schluchzend in Richtung der Angeklagten. „Elisabeth, das kannst du uns doch sagen.“ Nach einer Pause fügt sie bittend hinzu: „Lass uns nicht zurück in dem schwarzen Loch.“ Der Richter verspricht den Eltern, im Laufe des Prozesses alles zu tun, damit sie doch noch eine Antwort bekommen.

Laut Staatsanwaltschaft hat die Angeklagte die zuletzt länger werdenden Trennungszeiten mit dem Jungen nicht mehr ertragen. Daher habe sie sich entschlossen, das Kind zu töten, berichtet Staatsanwalt Harald Lustig aus der Anklageschrift.

Der Vater will den Jungen am 28. April abholen. Als niemand öffnet, kommt er mit seiner Frau später erneut zurück zum Haus der Angeklagten. Die Rollläden sind teils noch unten, keiner antwortet. Ein Nachbar hat einen Schlüssel, zu dritt durchsucht man das Einfamilienhaus.

Lange hieß es bei den Behörden, der Vater habe den toten Jungen entdeckt. Doch gestern erzählte die Mutter von ihrem Blick ins Badezimmer: „Da war Wasser in der Wanne. Ganz hoch. Es war dunkel. Dann sah ich Ole in der Wanne drin. Als ob er schläft.“

Bei der „Pflege-Oma“ habe sie sich stets wohl gefühlt, berichtet die Mutter mehrfach an diesem ersten Prozesstag. „Und Ole auch.“

Die Angeklagte wurde 1948 in der heute 15 000 Einwohner zählenden Kleinstadt Künzelsau geboren. Sie machte ihren Hauptschulabschluss und eine Hauswirtschaftslehre in Köln, heiratete 1970 und ließ sich zur Krankenschwester ausbilden. Ihr Mann, ein Beamter, war im April bereits seit einigen Jahren tot. Bis zu ihrer Festnahme am Abend des 28. April lebte die Frau allein im Eigenheim.

Ihre Chefin habe sie ihr als Betreuerin empfohlen, erzählt die Mutter des toten Jungen vor Gericht. Nach der Tat versteckte sich die Angeklagte bis zum nächsten Abend, heißt es. Bei ihrer Rückkehr zum Haus wurde sie festgenommen.

Das Landgericht hat zunächst neun Verhandlungstermine benannt. Mehr als 30 Zeugen sind geladen. Das Urteil könnte am 30. Januar fallen.

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