13-Jährige brennt mit Internet-Liebe (53) durch

Freiburg · Eine 13-Jährige aus Freiburg ist seit zwei Wochen verschwunden. Die Polizei geht davon aus, dass sie mit ihrer 40 Jahre älteren Internet-Liebe abgetaucht ist. Der Mann wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Zwei Wochen nach dem Verschwinden einer 13-Jährigen und ihres 53 Jahre alten Internet-Bekannten hat die Polizei die beiden zur freiwilligen Rückkehr aufgerufen. Das Paar solle sich stellen, sagte ein Polizeisprecher am Freitag in Freiburg. Dies sei die für alle Beteiligten beste Lösung. Die 13-Jährige aus Freiburg und der Mann aus dem lippischen Blomberg hatten sich in einem Internet-Chatroom kennengelernt. Sie sind seit Anfang Mai verschwunden. Die Polizei geht von einer Liebesbeziehung aus. Demnach ist das Mädchen freiwillig mit dem Mann mitgegangen.

Nach dem Mann und dem Mädchen wird weltweit gefahndet. Die Polizei hat bislang rund 250 Hinweise erhalten. Eine heiße Spur sei aber nicht darunter, hieß es. Da das Mädchen erst 13 Jahre alt ist, wird der 53-Jährige mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Der Vorwurf laute auf Kindesentziehung in einem besonders schweren Fall und sexuellen Missbrauch von Kindern, sagten Sprecher von Polizei und Staatsanwaltschaft. Diese Vorwürfe orientieren sich am Alter des Mädchens und treffen den Angaben zufolge auch dann zu, wenn das Mädchen freiwillig mit dem Mann unterwegs ist.

Die Polizei geht nicht davon aus, dass die junge Freiburgerin in akuter Gefahr ist. Sie hat den Chat des Paares ausgewertet. Die 13-Jährige und der 40 Jahre ältere Mann hatten dort seit rund einem Jahr regelmäßig Kontakt.

Auf die Suche hat sich auch die Mutter des Mädchens gemacht. Sie hat im Internet eine Seite eingerichtet und bittet um Hinweise. Diese sollten am besten an die Polizei gehen. Der Fall ist bei Nutzern im Internet auf ein großes Echo gestoßen.

Jedes Jahr werden in Deutschland rund 100 000 Kinder und Jugendliche als vermisst gemeldet, sagte Lars Bruhns, Vorstand der "Initiative Vermisste Kinder" in Hamburg. In den allermeisten Fällen kämen sie nach kurzer Zeit zurück oder würden gefunden. In der Regel handele es sich um Ausreißer, die rasch wieder auftauchen. Wichtig seien auf jeden Fall eine umgehende Meldung an die Polizei sowie eine schnelle Suche, sagt Bruhns. Zudem sollten Eltern bei Problemen oder einem Verdacht das offene Gespräch mit den Kindern suchen. Dies gelte auch für Bekanntschaften aus dem Internet. Herr Professor Berner, kann man erklären, wieso ein 13-jähriges Mädchen mit einem 53 Jahre alten Mann durchbrennt?

Berner: Wir wissen es nicht, aber vielleicht traf da jemand, der ein Gegenüber manipulieren wollte, im Cyberspace auf jemanden, der ein leichtes Opfer für Manipulation war. Man ist in der Pubertät mit 13 noch nicht ausgereift, man ist kein Kind mehr und noch nicht erwachsen. Man will sich ausprobieren, von den Eltern abgrenzen. Jugendliche fühlen sich in der realen Welt dauernd unverstanden. Wenn jemand in der Traumwelt des Cyberspace dann die richtigen pseudo-verständnisvollen Worte findet, kann es dann zu so einem realen Albtraum kommen.

Was folgt daraus konkret, zum Beispiel für besorgte Eltern?

Berner: Eltern brauchen eine Medienkompetenz in Sachen Internet. Sie müssen wissen, was da abgeht. Für mich heißt das, dass ich zum Beispiel für meine eigene 13 Jahre alte Tochter noch ganz genau wissen will, was sie im Internet tut. Und zumindest versuche, mit ihr darüber zu reden.

Ist das Internet also ein "schlechter", weil unsicherer Ort für Kinder?

Berner: Das Internet ist weder gut noch böse. Es gibt dort tolle Ecken und schlimme Orte. Man muss es aber zu beherrschen wissen. Eltern müssen wissen, was ihre Kinder dort tun, Verbote allein helfen dabei nicht. Was sind die konkreten Gefahren für Jugendliche und Kinder in sozialen Netzwerken?

Berner: Es geht in dem Fall ja um das ganz heiße Thema Kontaktanbahnung im Netz. Dort sitzen nicht nur Menschen mit lauteren Interessen, sondern eben zum Beispiel auch Pädophile, die genau wissen, was sie einem Kind schreiben müssen, um es im Nu "am Haken" zu haben. Wenn es dann "offline" zum Treffen kommt, besteht sehr schnell die konkrete Gefahr des sexuellen Missbrauchs.

Ist der Mann, mit dem das 13-jährige Mädchen abgehauen sein soll, denn ein Pädophiler?

Berner: Das weiß ich nicht, und es muss auch nicht so sein. Es gibt Situationen, Krisen im Leben, da meint ein Mensch, er müsse aus allem ausbrechen und neu beginnen, egal wie unrealistisch das am Ende ist. Solche Aussteigergeschichten gelingen zwar selten, aber es gibt sie. Bemerkenswert im vorliegenden Fall ist aber, dass jemand die schwerwiegenden Straftaten Kindesentzug und vielleicht auch sexuellen Missbrauch begeht, um so einen Ausstieg zu unternehmen. Da kann man schon auch die sexuellen Motive oder Machtphantasien dahinter vermuten, die sich vielleicht ein Leben lang aufgestaut haben. Darin steckt eine erhebliche Gefahr für das Kind.

Noch geht die Polizei lediglich von einem Vermisstenfall aus. Wie groß ist die Gefahr, in der das Kind tatsächlich schwebt?

Berner: Das wäre Spekulation. Die allermeisten Ausreißerfälle nehmen zum Glück ein gutes Ende. Beide sind sich aber sicher auch der strafrechtlichen Konsequenzen für den Mann bewusst. Das vereinfacht die Rückkehr für beide sicher nicht. Für ihn ist der Druck sicher größer, zumal er ja im Internet überall gesucht wird.

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