120 frische Eier vom Miet-Huhn

Nörvenich. Was bisher für Autos, Telefone und Druckmaschinen galt, macht nun auch vor dem Huhn nicht Halt. Bauernhöfe bieten ihren Kunden Leasing an - Mietverträge also: ein Huhn, ein Jahr, 120 Eier. Ein Werbespaß zu Ostern? Keineswegs. Mit der Kunden-Hühner-Bindung wollen sich die kleinen Dorfläden gegenüber den Supermarkt-Riesen kreativ behaupten. Ja, so ein Huhn hat's gut

Nörvenich. Was bisher für Autos, Telefone und Druckmaschinen galt, macht nun auch vor dem Huhn nicht Halt. Bauernhöfe bieten ihren Kunden Leasing an - Mietverträge also: ein Huhn, ein Jahr, 120 Eier. Ein Werbespaß zu Ostern? Keineswegs. Mit der Kunden-Hühner-Bindung wollen sich die kleinen Dorfläden gegenüber den Supermarkt-Riesen kreativ behaupten.Ja, so ein Huhn hat's gut. Es hat nicht viel zu tun, "legt täglich ein Ei und sonntags auch mal zwei", besangen die Comedian Harmonists das beneidenswerte Dasein im Federkleid. "Stimmt nicht ganz", weiß Anneliese Püllen, Landwirtin im nordrhein-westfälischen Nörvenich. Nachts entwickle sich das Ei im Körper, am Morgen sei dann das Legebedürfnis am größten. Zwei Eier am Tag? "Das funktioniert hier nicht." Auf dem "Hermannshof" der Familie Püllen - idyllisch zwischen Köln und Düren gelegen - kennt man sich mit Hahn und Henne aus. Neben Pferden, Ziegen und Kaninchen leben hier 6000 Hühner. Im Hofladen gibt es neben eigenen Produkten wie Eiern, Geflügelfleisch und Kartoffeln auch Marmelade zu kaufen - alles in der Region produziert.

Das ungewöhnlichste Produkt ist aber wohl der Hühnerleasingvertrag. Für 30 Euro kann ein Huhn ein Jahr lang gemietet werden. Was dabei herausspringt? 120 Eier. Derzeit laufen 50 Leasing-Verträge. Sobald Anneliese Püllen auf die Freilaufwiese steigt, tummelt sich das Federvieh um die 54-jährige Agrarwissenschaftlerin. "Hühner sind unglaublich neugierig", sagt sie inmitten der wackelnden und pickenden Köpfe. Routiniert packt sie eines der Tiere am Flügel und klemmt es unter den Arm.

Überwiegend Eltern leasen ein Huhn für ihre Kinder. Anneliese Püllen zeigt dann den Kleinen den Hof, erklärt, wie das Ei über das Förderband und die Sortiermaschine in den Hofladen gelangt und gibt den Kindern auch mal ein Huhn in den Arm. "Die meisten Kinder haben erst mal Angst", weiß sie. "Dann erkläre ich, dass die Hühner ja keine Hände haben und der Schnabel die einzige Möglichkeit ist, Kontakt aufzunehmen."Noch legen die Püllen-Hühner keine bunten Eier. Die färbt zu Ostern ein Dienstleister für den Hofladen ein. Die Püllens geben dann ihren Stammkunden den Tipp, die bunten Eier vorzubestellen. "Sonst gehen die womöglich leer aus." Für ihre Kinder und Enkelkinder färbt Anneliese Püllen die Eier selbst. Zu Ostern trifft sich die Großfamilie dann in der Gemeinde zum gemeinsamen Emmaus-Spaziergang. Auf dem Hermannshof wird anschließend ein großes Fest gefeiert, mit bunten Nestern, Eiertitschen und Osterbrot.

Fleisch oder Eierlikör

Zurück im Hühnerstall: Mit 17 bis 18 Wochen kommen die Hühner auf den Hof, nach neun Monaten beginnt die Legepause, nach etwa zwei Jahren ruft bereits die Schlachtbank.

Kurz, so ein Hühnerleben. Welch eine Ehre deshalb, Vertragsbestandteil von "Rent a chicken" zu werden. "Oberhahn Julius vom steilen Mist" verwaltet laut Vertragsdokument die Legeleistung, "Sieglinde von Hahnenglück" sucht derzeit noch einen Partner. Ob ihr zartes Fleisch nach Vertragsende verspeist oder ersatzweise lieber eine Flasche Eierlikör gewählt wird, bleibt allein dem Leasingnehmer überlassen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort