Zwei Präsidenten in einem Boot

Wladimir Putin und Petro Poroschenko haben telefoniert. Die Präsidenten zweier Länder, die sich in den vergangenen Wochen faktisch im Kriegszustand befanden, reden miteinander - das ist gut. Beinahe zu schön wäre es, wenn auch noch die knappe Einschätzung des Gesprächs zuträfe, die der Kreml veröffentlichte: Die Sichtweisen der beiden "auf mögliche Auswege aus der Krisensituation stimmen in bedeutendem Maße überein".

Aber kann es wirklich sein, dass mit einem Telefonat unter Männern alles ausgeräumt ist, was zuvor monatelang immer weiter eskalierte ?

Zumindest sind beide Präsidenten sich gar nicht so unähnlich, wie es scheinen könnte. Poroschenko war vor seinem Einstieg in die Politik ein erfolgreicher Geschäftsmann, eine seiner Schokoladenfabriken errichtete er in Russland. Um ein Vermögen zu machen, musste Poroschenko genauso pragmatisch denken, wie es der ehemalige Geheimdienstler Putin lernte. Vor Poroschenkos Wahl zum Präsidenten fand der Russe übrigens durchaus anerkennende Worte für den Ukrainer.

Nüchtern betrachtet steckt Poroschenko in einer ähnlichen Lage wie Putin zu Beginn seiner ersten Amtszeit: Was die restliche Welt den zweiten Tschetschenien-Krieg nennt, hieß in Russland offiziell "antiterroristische Operation". Fast denselben Begriff benutzt die ukrainische Regierung für den Militäreinsatz im Osten des Landes. Man kann also davon ausgehen, dass diese beiden Politiker eine gemeinsame Sprache finden können.

Tatsächlich sitzen sie in einem Boot. Moskau hat der Ukraine mit seiner kaum versteckten Intervention zwar deutlich aufgezeigt, dass der Konflikt militärisch nicht zu gewinnen ist. Andererseits ist unklar, wie sich Russland bei einer weiteren Eskalation in absehbarer Zukunft aus seiner internationalen Isolation befreien könnte. Angesichts der westlichen Sanktionen droht mittelfristig ein Einbruch der Wirtschaft, damit könnte sich die Stimmung gegen den derzeit überaus populären Präsidenten Putin wenden. Zudem erkennt auch in Moskau jeder, der will: Die gegenwärtige Politik provoziert die Nato , näher an Russlands Grenzen heranzurücken - das Gegenteil dessen, was Putins Politik bezwecken soll.

Das Problem ist: Innenpolitisch hat keiner der beiden Präsidenten viel Spielraum. Jedes von Moskau gewünschte Zugeständnis Poroschenkos - sei es der Verzicht auf das Assoziierungsabkommen mit der EU, sei es die Anerkennung der Abspaltung der Krim - würde in Kiew erneut Menschen auf die Straße bringen. Ließe Putin dagegen die Separatisten in der Ostukraine fallen, könnten sich radikalisierte Kämpfer im schlimmsten Fall sogar gegen die russische Regierung wenden. Gute Gründe für zwei Pragmatiker also, um miteinander zu reden. Gute Gründe aber auch, um über konkrete Vereinbarungen zu schweigen.

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