Zuwanderung braucht Plan

Nach Tage langem Hickack in der Union über das Für und Wider eines Einwanderungsgesetzes hat sich Angela Merkel in die Debatte eingeschaltet. Leider tat sie das mit der ihr eigenen Unbestimmtheit: Darüber werde "weiter zu diskutieren" sein.

Nun ist Merkel nicht nur CDU-Chefin, sondern auch Kanzlerin. Und da wünschte man sich schon, dass sie ihre politische Richtlinienkompetenz stärker wahrnimmt. Gerade beim Reizthema Zuwanderung muss Merkel endlich klipp und klar sagen, wo es lang gehen soll.

Zweifellos ist der Disput im Schatten der französischen Tragödie entflammt. Und ein Ausfluss der Pegida-Bewegung zur vermeintlichen Rettung des Abendlandes ist er natürlich auch. Dabei steht schon lange fest, dass Deutschland beim Zuzug von Ausländern gesetzlichen Handlungsbedarf hat. Schon vor nunmehr 15 Jahren wurde in Berlin über ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild gestritten, das Arbeitsmigranten nicht nur nach Alter, Sprachkenntnissen und Berufserfahrung präferiert, sondern auch nach ihrer gesellschaftlichen Anpassungsfähigkeit. Doch weil in den Augen der Union nicht sein durfte, was Deutschland bereits damals war, nämlich ein Einwanderungsland, verlief der Diskurs wieder im Sande. Immerhin stehen die Chancen nicht schlecht, dass es diesmal anders kommt. Wenigstens die erforderliche "Modernität" dafür hat Merkel ihrer Partei nun beigebracht.

Wahr ist, dass sich Zuwanderung nach Deutschland bis heute weitgehend planlos vollzieht. Es gibt zwar einen Wust von Bestimmungen. Allein bei der Fülle der verschiedenen Aufenthaltserlaubnisse haben selbst Experten Mühe, den Überblick zu behalten. Genau dieser Zustand sorgt aber auch für berechtigtes Unbehagen in Teilen der deutschen Bevölkerung. Denn dadurch ist kaum nachvollziehbar, ob sich Deutschland mit seinem Instrumentarium nun nützt oder schadet. Bei der Kategorisierung unter beruflichen Gesichtspunkten gibt es obendrein ein Drei-Klassen-Recht. EU-Ausländer haben die besten Karten zu kommen, dahinter rangieren Drittstaatler und ganz am Ende Flüchtlinge. Dabei verfügen gerade Letztere häufig über gute Qualifizierung.

Ein Einwanderungsgesetz sollte den Wust an Regeln ordnen, die Bürokratie entschlacken und die Bestimmungen übersichtlicher gestalten. Klare, nachvollziehbare Mechanismen bei der Zuwanderung sind am Ende auch geeignet, Vorurteile abzubauen und dumpfer Fremdenfeindlichkeit zu begegnen. Viele wichtige Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag hat Schwarz-Rot bereits abgearbeitet. Um so mehr stellt sich die Frage nach einem zentralen Projekt für den Rest der Wahlperiode. Ein Einwanderungsgesetz wäre ein solches Schlüsselvorhaben. Angela Merkel muss es nur wollen.

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