Zündstoff bei der Rente

Meinung · Der deutsche Eckrentner ist gut dran. Er bringt es auf 45 Versicherungsjahre, hat in dieser Zeit immer durchschnittlich verdient und es so auf eine Rente von aktuell 1236,15 Euro gebracht. Der Betrag ist nicht üppig, aber von Armut weit entfernt. Dumm nur, dass der Eckrentner lediglich in der Statistik lebt. Im wahren Leben kommen lückenlose Erwerbsbiografien immer seltener vor

Der deutsche Eckrentner ist gut dran. Er bringt es auf 45 Versicherungsjahre, hat in dieser Zeit immer durchschnittlich verdient und es so auf eine Rente von aktuell 1236,15 Euro gebracht. Der Betrag ist nicht üppig, aber von Armut weit entfernt. Dumm nur, dass der Eckrentner lediglich in der Statistik lebt. Im wahren Leben kommen lückenlose Erwerbsbiografien immer seltener vor. Lehre oder Studium, kleiner Einstiegslohn, Arbeitslosigkeit, irgendwann vielleicht der Weg in die Selbstständigkeit - solche "unsteten" Lebensverläufe werden weiter zunehmen. Das deutsche Rentensystem aber ist für den immer flexibleren Arbeitsmarkt einfach nicht gemacht.Noch handelt es sich eher um eine Randerscheinung: Heute beziehen nur etwa 400 000 Rentner die staatliche Grundsicherung, also Hartz IV im Alter. Das sind etwas über zwei Prozent aller Senioren. Doch was scheinbar zu vernachlässigen ist, wird sich spätestens in zehn oder 15 Jahren in ein handfestes Problem verwandelt haben, wenn die Politik nicht wirkungsvoll gegensteuert. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung brachte es gestern auf den Punkt: "Deutschland gehört international zu den Schlusslichtern bei der Alterssicherung von Geringverdienern." Dieser ernüchternde Befund sollte Mahnung genug sein, wenn Arbeitsministerin Ursula von der Leyen heute ihren "Rentendialog" mit Gewerkschaften, Verbänden und Fachleuten startet. Nach allem, was vorab zu hören war, dominiert allerdings eher das kleine politische Karo.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist offenbar eine Kosten-Obergrenze, die kaum mehr als kosmetische Veränderungen im Rentenrecht zur Folge haben dürfte. Dabei gehört eigentlich das gesamte Rentensystem auf den Prüfstand. Dazu zählt die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, dass der Rentenbeitrag bei einem bestimmten Finanzpolster in der Rentenkasse automatisch gesenkt werden muss. Diese Regelung gibt es in keinem anderen Sozialversicherungszweig. Mehr Mittel würden den Spielraum zur Bekämpfung von Niedrigrenten vergrößern. In diesem Zusammenhang wäre auch ein Blick über die Landesgrenzen lohnenswert. In der Schweiz zum Beispiel gibt es keine Beitragsbemessungsgrenze für Besserverdiener, aber eine Maximalrente. Das ermöglicht soziale Umverteilung im System.

Politisch wäre so etwas sicher eine Herkulesaufgabe. Wer grundlegende Veränderungen scheut, sollte allerdings bedenken, dass damit letztlich die Akzeptanz der gesetzlichen Rentenversicherung auf dem Spiel steht. Einem Niedriglöhner, der immer Vollzeit gearbeitet hat, ist es jedenfalls kaum zu vermitteln, warum er in die Rentenkasse einzahlt, um im Ruhestand am Ende doch auf Hartz-IV-Niveau zu landen. Im politischen "Rentendialog" steckt weiter eine Menge Zündstoff.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort