Zackig in die Zwickmühle

Berlin · Volker Kauder ist immer zack, zack. Fast militärisch. Schon wie er breitbeinig, die Arme rudernd wie ein Offizier zur Parade, mit schnellem Schritt zum Rednerpult geht. Ohne Manuskript, er hat's im Kopf und auf der Zunge.

Kauder und Klartext, die Kombination findet man oft in Überschriften. Neuerdings aber auch: Kauder in der Klemme. Ausgerechnet vor der wichtigen Griechenland-Abstimmung, in der es für Angela Merkel auf den Unions-Fraktionschef mehr den je ankommt, entpuppt sich der 65-Jährige als Unruheherd. Seine plumpe Drohung, Abweichlern wichtige Ausschussposten wegzunehmen, hat eine Empörungswelle ausgelöst.

Sie wird zu allem Überfluss wahrscheinlich genau das Gegenteil bewirken. Kauder hat sich in eine Zwickmühle manövriert. Denn wenn einige der 60 Unions-Abgeordneten, die bei der ersten Abstimmung vor vier Wochen gegen das Rettungspaket votierten, jetzt zustimmen würden, wäre es, als kuschten sie vor ihm. Es wird also eher noch mehr Nein-Sager geben, schon aus Trotz. Käme es so, hätte Kauder seine aus Merkels Sicht wichtigste Aufgabe erstmals nicht erfüllt, nämlich ihr den Rücken freizuhalten.

Nicht immer braucht eine Fraktion einen Zuchtmeister. Manchmal eher eine väterliche Autorität. Zumal bei diesem Thema. Denn das dritte Rettungspaket ist, wenn man ehrlich ist, eine Kehrtwende. Kauder selbst hat im April gesagt, dass es "kein Thema" sei. Und er hat bei "Anne Will " noch am 1. Juli "in aller Klarheit" hervorgehoben: "Der IWF ist für meine Fraktion Bedingung. Dass er dabei ist. Punkt." Der IWF ist aber bisher nicht dabei. Punkt. Kauder müsste in dieser Situation den Abgeordneten ehrlich sagen, warum sie, so wie er selbst, ihre frühere Haltung verleugnen sollen: Weil sonst Griechenland aus dem Euro austreten müsste, weil Deutschland sofort seine Kredite verlöre, und weil Merkels Rettungspolitik gescheitert wäre. Kauder müsste sagen: Es ist ein sehr saurer Apfel. Aber er ist besser als der verfaulte.

Der Mann kann sehr emphatisch sein, er ist ein tiefgläubiger Christ. Aber Demut ist nicht sein Ding. Schon öfter ist er hingegen mit seiner nassforschen Art in selbst erzeugte Turbulenzen geraten. "Jetzt auf einmal wird in Europa deutsch gesprochen", sagte er 2011 auftrumpfend beim CDU-Parteitag. Es ging ebenfalls um die Euro-Rettung. Der Satz half Merkel nicht. Das Ausland war empört. Zum Charakter des gelernten Juristen gehört freilich, dass ihn Kritik kaum kratzt. Er hat ein großes Selbstbewusstsein. "Der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität in Deutschland und gehört somit nicht zu Deutschland", so konterte er 2012 Christian Wulff . Und legte sich vor kurzem sogar mit der Kanzlerin an, die sich vorsichtig offen für ein Einwanderungsgesetz gezeigt hatte.

Kauders Name wird genannt, wenn es darum geht, wer Merkel folgen könnte, falls sie kurzfristig ihr Amt aufgeben wollte oder müsste. Ambitionen dieser Art hat der gebürtige Hoffenheimer nie gehabt. Nun dürften auch die Spekulationen darüber weniger werden. Nicht nur, dass Kauder als konservatives Flaggschiff in der Union polarisiert, spricht gegen ihn. Bei einer misslungenen Griechenland-Abstimmung mit vielen Abweichlern wäre auch seine Autorität angekratzt. Sein bisher wichtigstes Kapital.

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