Ypsilanti und ihre Marionette

Meinung · Wer, bitteschön, ist Thorsten Schäfer-Gümbel? Man wird schon tief in den Archiven graben müssen, um etwas über den hessischen Nobody in Erfahrung zu bringen. Der Mann soll die Hessen-SPD nun als Spitzenkandidat in die Neuwahlen im Januar führen und den Scherbenhaufen zusammenkehren, zu dem Andrea Ypsilanti ihre Partei gemacht hat

Wer, bitteschön, ist Thorsten Schäfer-Gümbel? Man wird schon tief in den Archiven graben müssen, um etwas über den hessischen Nobody in Erfahrung zu bringen. Der Mann soll die Hessen-SPD nun als Spitzenkandidat in die Neuwahlen im Januar führen und den Scherbenhaufen zusammenkehren, zu dem Andrea Ypsilanti ihre Partei gemacht hat. Das ist einerseits mutig, grenzt andererseits aber an politische Naivität ungeahnten Ausmaßes. Die Doppelrolle, die Schäfer-Gümbel spielen soll, liegt auf der Hand: Im Wahlkampf wird er zum Prügelknaben für das werden, was seine Vorgängerin angerichtet hat. Zugleich kann man ihn getrost die Marionette Ypsilantis schelten. Den Neuanfang hätte man den hessischen Genossen allenfalls dann abgekauft, wenn Ypsilanti als Verantwortliche des SPD-Debakels auch den Landes- und Fraktionsvorsitz aufgegeben hätte. Ein Komplett-Rückzug wäre das glaubwürdigere Signal gewesen, ja sogar ein Stück Rückendeckung für den neuen Mann. So aber drängt sich der Eindruck auf, die machtverliebte Genossin unternehme alles, um an den Schalthebeln zu bleiben: Beide Ämter garantieren Ypsilanti größten Einfluss bei Inhalten, Richtung und Personalfragen. Sie bleibt also Strippenzieherin ihrer Partei, während der chancenlose Spitzenkandidat Schäfer-Gümbel den unbedarften Nachlassverwalter mimen muss. Darüber täuscht auch nicht hinweg, dass er erst 39 Jahre alt ist und SPD-Chef Franz Müntefering, der dem Trauerspiel offenbar nur zuschaut, bereits lobend von "Verjüngung" und "Neustart" spricht. Zur Erinnerung: Ypsilanti ist mit 51 Jahren im besten Politiker-Alter, und der neue Kandidat gilt als ihr enger Vertrauter. So viel zu diesem Teil des Themas Erneuerung.Das durchschaubare Vorgehen Ypsilantis belegt einmal mehr ihren politischen Realitätsverlust, den sie in den letzten neun Monaten so oft gezeigt hat. Neben dem Verzicht auf alle Ämter hätte es allerdings einen zweiten Weg gegeben, wieder ein wenig an Statur zu gewinnen: Wenn sie erneut als Spitzenkandidatin angetreten wäre. Respekt, diese Frau traut sich was und stellt sich nach all den Dramen und Debakeln noch einmal den hessischen Wählern - das wäre durchaus eine Botschaft von Format gewesen. Dann hätten die Genossen endlich erfahren, was die Bürger nun wirklich von der Person Ypsilanti, von ihren Inhalten und dem Kurs der letzten Monate halten. Sie wiederum hätte sich und ihren Wortbruch erklären können und müssen. Nun aber stürzt sich die Hessen-SPD lieber in die nächste Glaubwürdigkeitskrise. Da lacht sich CDU-Mann Roland Koch ins Fäustchen.

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