Wochen der Wahrheit

Meinung · Die Schonfrist läuft in drei Wochen ab. Wenn die Euro- und EU-Staaten nicht spätestens beim Gipfeltreffen Ende Januar erste Beschlüsse zum Kampf gegen die Krise vorlegen können, ist das Vertrauen der Finanzmärkte verspielt. Dabei klingt einiges, was aus den Beratungen für einen neuen Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion dringt, durchaus vielversprechend

Die Schonfrist läuft in drei Wochen ab. Wenn die Euro- und EU-Staaten nicht spätestens beim Gipfeltreffen Ende Januar erste Beschlüsse zum Kampf gegen die Krise vorlegen können, ist das Vertrauen der Finanzmärkte verspielt. Dabei klingt einiges, was aus den Beratungen für einen neuen Vertrag zur Wirtschafts- und Währungsunion dringt, durchaus vielversprechend. Es soll deutliche Sanktionen geben - nicht nur im Fall einer zu hohen Neuverschuldung, sondern auch bei zu hohen Schuldenbergen. In der Wirtschaftspolitik will man sich besser abstimmen, und auch bei den Spielregeln des dauerhaften Krisenfonds scheint eine rasche Einigung in Sicht - all das hat das Potenzial zur Lösung der mannigfaltigen Probleme.Mindestens ebenso entscheidend wird aber der zweite Schritt sein. Europa muss nicht nur die Kraft zum Sparen und Kürzen haben, sondern auch zu neuen ökonomischen Impulsen. Die bittere Wahrheit der Rotstift-Orgien in den Mitgliedstaaten ist in Brüssel endlich angekommen: So wichtig einschneidende Reformen auch sind, so bedeutsam sind ebenfalls Investitionen, die Arbeitsplätze sichern, die die Sozialversicherungssysteme am Leben halten und die letztlich auch zu Binnennachfrage führen.

Dazu hat Brüssel viel zu bieten. Schließlich sitzt die Kommission auf milliardenschweren Fördertöpfen, deren Gelder dringend vor Ort gebraucht werden. Aber nicht nur um Löcher zu stopfen oder Prestige-Projekte in die Landschaft zu stellen. Wer diese Finanzmittel richtig einsetzt, kann weitere Investitionen auslösen, die in Griechenland, Portugal, Italien oder Spanien fehlen.

Dass die Anregung zum Umdenken vor allem vom wahlkämpfenden Präsidenten aus Paris kommt, nimmt dem Vorstoß nicht seine Richtigkeit. Auch die Kanzlerin könnte Erfolgsmeldungen von der Euro-Front gebrauchen. Denn sie will ebenfalls wiedergewählt werden. So wird man sich künftig wohl öfters gegenseitig helfen, um zu verhindern, dass einem der jeweilige Partner abhanden kommt. Das muss nicht schlecht sein, so lange das Ergebnis stimmt.

Europa hat sich vorgenommen, die Krise in diesem Jahr beizulegen und wieder mit positiven Nachrichten von sich reden zu machen. Dazu aber wird ein gelungenes Gipfeltreffen nicht reichen. 2012 muss der Umbau der Euro-Zone zu einer echten Wirtschaftsgemeinschaft abgeschlossen werden. In den Krisenregionen, die am Tropf der Luxemburger Retter hängen, muss eine Wende her, damit nicht immer noch mehr Menschen ihren Job verlieren. Wenn sich diese Lektion herumspricht, müssten eigentlich alle Mitgliedstaaten an der neuen EU mitbauen, sogar Großbritannien. Noch hat niemand die Hoffnung aufgegeben, dass auch London seine Bereitschaft erklärt, zum Kern der europäischen Familie zu gehören.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort