Wladimir Putin und der Geist der UdSSR

Moskau · Neue Helden braucht das Land. Im prunkvollen Konstantinpalast in St.

Petersburg krönte Kremlchef Wladimir Putin am gestrigen 1. Mai die neuen Vorbilder für die Menschen im Riesenreich. Es ist eine sorgfältig inszenierte Wiedergeburt des Kampftitels "Held der Arbeit", der aber zumindest jungen Russen gut 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des Kommunismus kaum etwas sagt. Auch in der DDR gab es diese Ehrung für die Besten der Besten und als Beweis der Staatstreue für die Geehrten, die den Orden annahmen. Ex-Geheimdienstchef Putin gibt erneut seinen Kritikern Futter, die meinen, er wolle einen Staat nach dem Vorbild der Sowjetunion errichten. Putins Worte, wonach der Zusammenbruch des Imperiums die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts sei, lassen seine Gegner seit langem befürchten, dass der 60-Jährige seine Vergangenheit nicht loswird. So strebt er etwa offen nach einer großen eurasischen Wirtschaftsunion ehemaliger Sowjetrepubliken.

Es war auch Putin, der die unter Diktator Josef Stalin gespielte Nationalhymne nach dem Tod seines Vorgängers Boris Jelzin wieder einführte, wenn auch mit neuem Text. Auch die russische Luftwaffe hat ihren Sowjetstern zurück. Wohl schon im Herbst sollen Schuluniformen wie früher gang und gäbe werden. Und auch ein Neustart des von vielen Schülern im Kommunismus gehassten Wehrunterrichts samt patriotischem Drill wird diskutiert. Aus Putins Sicht soll das der nationalen Einheit dienen.

"Wir hatten in der Sowjetunion den Titel ,Held der sozialistischen Arbeit'. Im Großen und Ganzen hat sich das aus meiner Sicht bewährt", begründete Putin unlängst die Wiedereinführung. Kommentatoren meinen, dass sich der Kremlchef damit nicht nur bei älteren Wählern beliebt machen, sondern vor allem zeigen will, wer trotz aller Kritik zu ihm hält. So lässt sich etwa der Stardirigent Waleri Gergijew von seinem Freund Putin den goldenen Orden anheften. Dazu gibt es eine Urkunde und das Recht auf eine Bronzebüste. Das Putin-System schmückt sich nach Meinung von Beobachtern gern mit Prominenten. Doch es gibt immer mehr angesehene Kulturschaffende, die sich öffentlich abwenden.

"Wir sind verpflichtet, der Arbeit ihre Wertschätzung zurückzugeben und das Prestige jener Berufe zu erhöhen, die das Land auf den Beinen halten", betont Putin bei der Zeremonie. Unter den fünf neuen Helden sind drei Arbeiter aus dem Bergbau, der Landwirtschaft und der Metallverarbeitung.

"Der Geist der UdSSR wird nun endgültig wieder materiell greifbar", kommentiert die kremlkritische Zeitschrift "The New Times" die Initiative. Experten kritisieren, dass der Kreml mangels Ideen und mangels einer echten Politik in die Schublade der Vergangenheit eines totalitären Regimes greift, um die Bürger ans Gängelband zu nehmen. Die Menschen müssten verstehen, dass Arbeit über Geld und Sozialleistungen und nicht über Orden belohnt werden müsse, findet der Bürgerrechtler Lew Ponomarjow. Wer gesellschaftlich oder im Team anerkannt sei, habe keine staatliche Bestätigung nötig.

Regierungsgegner und Politologen vergleichen Putins Führungsstil immer häufiger mit dem des einstigen Dauerherrschers Leonid Breschnew, der als Symbol des bleiernen Stillstands gilt. Auch das damalige System habe sich in einen "Wahn der Ordenkultur" geflüchtet.

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