Wirtschafts-Krise könnte Assad die Macht kosten

Damaskus. Der Terror der syrischen Sicherheitskräfte nimmt kein Ende - Berichte von sadistischen Verstümmelungen durch Soldaten, Serien-Vergewaltigungen an jungen Mädchen und brutalen Morden gehen um. In der Hoffnung, dem Grauen ein Ende zu setzen, hat die EU Sanktionen gegen die syrische Herrscher-Elite verschärft. Ihre Achillesferse - die Wirtschaft - soll getroffen werden

Damaskus. Der Terror der syrischen Sicherheitskräfte nimmt kein Ende - Berichte von sadistischen Verstümmelungen durch Soldaten, Serien-Vergewaltigungen an jungen Mädchen und brutalen Morden gehen um. In der Hoffnung, dem Grauen ein Ende zu setzen, hat die EU Sanktionen gegen die syrische Herrscher-Elite verschärft. Ihre Achillesferse - die Wirtschaft - soll getroffen werden. Bricht diese zusammen, reißt sie das Regime mit oder zwingt es zumindest zu einem Ende des Mordens - so das Kalkül. Ob das aufgeht, ist höchst ungewiss.Freilich, die Rebellion hat bereits tiefe Spuren hinterlassen. "Das gesamte Wirtschaftsleben ist zum Stillstand gekommen", klagt ein syrischer Ökonom. Am schwersten betroffen ist der Tourismus, mit acht Milliarden Dollar im Jahr die lukrativste Devisenquelle, die 320 000 Menschen Arbeit sichert. Ausländische Besucher bleiben fast völlig fern. Die Geschäftswelt spürt die Krise immer schmerzlicher. Die heimische Währung, das Syrische Pfund, ist um etwa 17 Prozent gegenüber dem Dollar gefallen, acht Prozent der Bankreserven wurden ins Ausland transferiert. Die so dringend benötigten Auslandsinvestitionen bleiben aus.

In seiner jüngsten Rede warnte Präsident Baschar al-Assad offen vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Dabei hatte die Ökonomie schon vor Beginn der Massenproteste mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Seit 2005 eingeleitete Liberalisierungen trieben die Inflation auf 15 Prozent und mehr in die Höhe, während Produkte aus der Türkei und China die Märkte überschwemmten und heimische Produzenten in den Bankrott zwangen. Hinzu kommen die Folgen einer seit Jahren anhaltenden Dürre, die etwa 1,5 Millionen Menschen in die Städte trieb, wo die meisten keine Arbeit fanden. Während Assad staatliche Subventionen für Treibstoff und Nahrungsmittel kürzte, öffnete sich die Schere zwischen den superreichen Profiteuren, allen voran dem Assad-Clan, und einem großen Teil der 21-Millionen-Bevölkerung immer weiter. Nach Schätzungen sind heute etwa 30 Prozent aller Familien auf Regierungsunterstützung angewiesen.

Auf die Proteste reagierte Assad wie seine Amtskollegen auf der Arabischen Halbinsel: Erhöhung der Gehälter öffentlich Bediensteter, Versprechen von neuen Arbeitsplätzen in dem bereits überbordenden öffentlichen Sektor, erneute Erhöhung der Subventionen und der Löhne für die Sicherheitskräfte. Doch im Gegensatz zu den ölreichen Golfstaaten fehlen die Deviseneinkünfte, um dies zu finanzieren.

Syrische und westliche Beobachter sind geteilter Meinung über die ökonomische Widerstandskraft des Landes. Während einige Experten meinen, die Wirtschaft könne diese gravierenden Verluste höchstens noch vier Monate überstehen, weisen andere auf Devisenreserven von 17 Milliarden Dollar hin, die dem Land eine Verschnaufpause schenken könnten.

In der Geschäftswelt von Damaskus und Aleppo, bislang die wichtigste Stützte des Regimes, breiten sich Ungeduld und Zukunftsängste aus. Ohne Stabilität kein Geschäft. Schließt sich dieser Sektor den Protesten an, dann könnte das Schicksal des Regimes besiegelt sein. Und so manche meinen, sollte die Assad-Clique politisch die Rebellion überleben, der langfristige Schaden für die Wirtschaft würde ihr das Genick brechen.

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