Wirtschafts-Elite sucht den besseren Kapitalismus

Davos. Ausbeuterisch, umweltzerstörend, belastend für die Südhalbkugel und künftige Generationen - der Kapitalismus der 1980er und 90er Jahre konnte sich solche Eigenschaften noch ungestraft erlauben. Doch die Kritik wird lauter. Selbst die versammelte Wirtschaftselite in Davos diskutiert jetzt offen die Frage: Kann der Kapitalismus des 20

Davos. Ausbeuterisch, umweltzerstörend, belastend für die Südhalbkugel und künftige Generationen - der Kapitalismus der 1980er und 90er Jahre konnte sich solche Eigenschaften noch ungestraft erlauben. Doch die Kritik wird lauter. Selbst die versammelte Wirtschaftselite in Davos diskutiert jetzt offen die Frage: Kann der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts weiterhin funktionieren? Und wie macht man künftig Geschäfte, die das Adjektiv "gut" wirklich verdienen?Das heiße Eisen hat der Chef des Weltwirtschaftsforums selbst geschmiedet. Der Kapitalismus sei wohl "ein bisschen veraltet", sagte Klaus Schwab vor Beginn des Treffens. Sogar Sympathien für die frierenden Aktivisten der "Occupy"-Bewegung, die in einem Iglu-Camp unweit des Tagungsgeländes ausharren, lässt Schwab erkennen. Auch wenn er die "Occupy"-Leute nicht bei seinem Forum sprechen lassen will, Kapitalismus-Kritik ist dort trotzdem präsent. An den versammelten Mächtigen aus Wirtschaft und Politik rauscht es nicht vorbei, dass junge Arbeitslose in Südeuropa zu Zehntausenden auf die Straße gehen. Dass Aktivisten vor Bank-Türmen campieren. Und nicht zuletzt, dass Kunden genauer hinschauen, was sie von wem kaufen.

Von "gebrochenen Versprechen des Kapitalismus" spricht Sharan Burrow, als Generalsekretärin des internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC vertritt sie 175 Millionen Arbeitnehmer in aller Welt. Schon jetzt sei der Wohlstand so ungleich verteilt wie seit den 1930er Jahren nicht mehr, in vielen Ländern nähmen die Systeme junge Arbeitskräfte kaum noch auf. "Das Wirtschaftsmodell untergräbt sich selbst", meint sie. "Die sozialen Unruhen, die daraus entstehen können, werden niemandem gefallen."

Ben Verwaayen, Vorstandschef des weltgrößten Netzwerkspezialisten Alcatel-Lucent, wirbt für eine ganz andere Perspektive. "Auf der Welt findet man immer noch Orte, an denen sich Menschen nach Kapitalismus sehnen, weil er Millionen aus der Armut hilft." Das Problem sei nicht das Konzept, sondern die Art der Umsetzung. "Wir leiden an Nostalgie", meint Verwaayen. In die alte Welt führe aber kein Weg zurück. "Wir müssen uns fragen, wie wir neue Jobs schaffen. Nicht, wie wir alte erhalten." Aus dem Publikum ruft ein junger Ägypter: "Gebt den jungen Leuten Plattformen, auf denen sie ihre Jobs selbst schaffen können." Dann müssten sie nicht darauf warten, dass es jemand anders für sie tut. Ob man das dann Kapitalismus nenne oder nicht, sei doch völlig gleichgültig.

Für den eingefleischten Kapitalisten David Rubinstein steht die Reformfähigkeit des Systems jedenfalls außer Frage. Er ist Mitbegründer der Carlyle Group, die zu den weltgrößten Finanzinvestoren gehört. In Anlehnung an Churchill nennt er den Kapitalismus augenzwinkernd "die schlechteste Wirtschaftsform überhaupt - wenn man von allen anderen absieht". Doch was wird den Kapitalismus besser machen? "Zahlen Sie Steuern und ihren Arbeitnehmern Mindestlöhne", verlangt Gewerkschafterin Burrow. Gerade in den USA kämpften Firmen aus Prinzip noch gegen geringste Lohnerhöhungen, die ihre Gewinne nur minimal schmälern würden.

Finanzinvestor Rubinstein hält dagegen, mit einem bemerkenswerten Bekenntnis: Man halte sich an Regeln - sofern es welche gebe. "Ich klage nicht über zu viel Regulierung, ich will eine klare Regulierung", sagt er. Dafür aber reichten die Führungsqualitäten der Politik derzeit nicht aus.

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