Wir haben das geschafft

In jener Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 lag viel Überschwang in der kalten Luft auf der Berliner Reichstagswiese. Aber auch Angst. Man spürte, dass hier etwas außergewöhnlich Großes geschah.

Etwas, dass man nicht überschauen konnte.

25 Jahre später sehen wir es. Es ist Vieles ganz anders gekommen. Zum Beispiel ist keine neue, auftrumpfende Supermacht entstanden, wie Maggie Thatcher und François Mitterrand befürchteten, sondern ein Land, das erst einmal reichlich mit sich selbst zu tun hatte. Es ist auch kein deutscheres Deutschland geworden, vor dem die westdeutsche Altlinke warnte, sondern das inzwischen wahrscheinlich internationalste Land des Kontinents. Da können sich die Pegidas dieser Republik noch so sehr dagegen stemmen. Deutschland genießt dank des Sommermärchens 2006 bei der Fußball-Weltmeisterschaft, der angesagten Berliner Klubs und der Flüchtlingshelfer von München inzwischen weltweit höchste Sympathie, vor allem bei der jüngeren Generation.

Inzwischen erkennt man nicht mehr, wer woher kommt, wenn er nicht gerade schwäbelt oder sächselt. Der nachgeborenen Generation muss man eher erklären, was die DDR war und wo es in Berlin noch Mauerreste gibt. Es ist tatsächlich zusammengewachsen, was zusammengehört. Die Staatskasse war zwar gefordert, aber anders als Oskar Lafontaine prophezeite, nicht überfordert. Es gab aber auch keine blühenden Landschaften - das war Helmut Kohls Vision. Die Gleichheit der Lebensverhältnisse ist nicht eingetreten. Aber doch eine so große Annäherung, dass es ziemlich egal ist, in welchem Landesteil man aufwächst.

Ruiniert hat die Einheit Deutschland nicht. Im Gegenteil. Die westdeutschen Firmen profitierten lange von billigen Arbeitskräften aus den neuen Ländern, später auch aus Osteuropa, und sie konnten viele Produkte auf den neuen Märkten verkaufen. Der Infrastrukturaufbau wirkte wie ein riesiges Konjunkturprogramm.

Vor allem aber machte diese Herausforderung der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft insgesamt Beine. Sie lockerte verharschte Strukturen und Verhaltensweisen. Den Ostdeutschen hat es am meisten abverlangt, einer Übergangsgeneration sogar zu viel. Dass das Land insgesamt aber heute so viel besser da steht, weil es so viel flexibler ist als etwa Frankreich oder als Japan, hat mit dieser Zeit zu tun.

Nach 25 Jahren gibt es eine gewisse Sattheit. Nun fordert die Flüchtlingswelle unser Land erneut aufs Äußerste. Es ist offen, wie dieses Abenteuer nun wieder ausgeht, es ist nur klar, dass es anstrengend werden wird. Die Einheit lehrt, dass Deutschland solche Herausforderungen schaffen kann - und manchmal sogar braucht.

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