Win-Win-Winfried

In Baden-Württemberg steht das erste grün-schwarze Bündnis Deutschlands. Die Farbkombinationen mag es inzwischen schon häufiger gegeben haben, doch nicht mit den Grünen an der Spitze. Entsprechend schwer taten sich die Christdemokraten damit. Während die Grünen, gestärkt durch fünf Jahre Regierungserfahrung und jahrzehntelanges Erarbeiten von Konzepten, fast ein wenig abgezockt die Koalitionsverhandlungen erledigten, wirkte die CDU über Strecken unsortiert und inhaltlich schwach. Die Partei, die 2011 nach 58 Jahren die Macht an Grün-Rot abgeben musste, hatte sich auf die These eines Unfalls der Geschichte verlassen. Opposition fand nicht statt. Zu mehr als einem strikten Nein reifte keine Sacharbeit heran. Das rächte sich auch beim Schmieden des neuen Bündnisses.

Die Grünen überließen der CDU manche Überschrift im Bewusstsein, dass man in guten Koalitionen dem anderen etwas gönnen können muss, aber auch im Wissen, dass es nicht auf Überschriften ankommt, sondern auf Inhalte. So überließen sie der CDU etwa den Triumph, dass im Koalitionsvertrag das Wort "Gender" fehlt, bremsten aber ein umgebautes Betreuungsgeld aus. Die CDU bekam das Landwirtschaftsministerium, die Grünen dafür ein Sozial- und Integrationsressort, das weit in die Gesellschaft hineinwirken kann. Nicht wenige sehen die Grünen nun insgesamt im Vorteil. Das ist freilich eine baden-württembergische Spezialität, so lange der beliebte Kretschmann als "Win-Win-Winfried" an der Spitze steht.

Grün-Schwarz im Ländle ist keine Liebesheirat. Man habe sich nicht gesucht, aber gefunden, betont CDU-Landeschef Thomas Strobl. Tatsächlich verhinderte lange Jahre unterkühltes Lagerdenken vor allem bei der CDU ein Zusammengehen. Kretschmann bemüht nun nicht zufällig das Label "bürgerliche Koalition". Ein Bündnis des alten und des neuen Bürgertums sieht er auch als Möglichkeit, den Rechtspopulisten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Leicht wird das freilich nicht. Während die Ausarbeitung des grün-schwarzen Arbeitsprogramms vergleichsweise geschmeidig ablief, sind Reibereien auf der Strecke zu befürchten. Dann nämlich, wenn die CDU in alte Allmachtsallüren verfiele.

Gleichwohl: Grün-Schwarz könnte zum Gewinn für beide Partner werden. Die Südwest-CDU würde einem fälligen Modernisierungsschub unterzogen und könnte sich zugleich konservativ profilieren. Und die Grünen bewiesen mit dem Finanzministerium als Schlüsselressort noch mehr Regierungsfähigkeit, ohne den Markenkern Nachhaltigkeit aufzugeben. Am Ende zahlt dies auf das Image der Grünen insgesamt ein und macht mit Blick auf die Bundestagswahl ihre Position zur FDP als attraktive Mehrheitsbeschafferin immer wahrscheinlicher.

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