Willkommen im Paradies

Das immerhin hat die Linkspartei geschafft: Es herrscht Konsens darüber, sich nicht mehr selbst zerfleischen zu wollen. Zumindest bis auf Weiteres.

Wer diese "Errungenschaft" gering schätzt, der sollte sich an den Bundesparteitag in Göttingen vor fast genau einem Jahr erinnern. Damals hatte der offene Hass zwischen westdeutschen Fundamentalisten und ostdeutschen Reformern die Linke beinahe in die Spaltung getrieben. Umso deutlicher stand ihr Wahlkonvent am Wochenende im Kontrast zu den aggressiven Kampfhandlungen von damals: Soviel Harmonie kannte man bislang allenfalls von CDU-Parteitagen. Das nahende Wahldatum in nicht einmal 100 Tagen hat seine disziplinierende Wirkung auch bei den Linken nicht verfehlt. Kaum etwas verabscheuen die Bürger nämlich mehr als einen zerstrittenen politischen Haufen, der sich statt um sie nur um sich selbst kümmert.

Ansonsten freilich bleibt alles wie gehabt: Wer vom Paradies auf Erden träumt, der ist bei der Linken bestens aufgehoben. Ein Mindestlohn von zehn Euro, ein Hartz-IV-Regelsatz von 500 Euro, eine Mindestrente von 1050 Euro, und alles zusammen natürlich sofort. Schneller, weiter, höher, lautet die soziale Devise der Linkspartei. Dass ein flächendeckender Mindestlohn von zehn Euro unweigerlich zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen muss, Schwamm drüber. Dass eine Mindestrente von 1050 Euro ungefähr dem entspricht, wofür ein Durchschnittsverdiener gut 40 Jahre arbeiten muss, auch egal. Obendrein ist gar noch von der Verheißung die Rede, ,,keine Mindestsicherung mehr unter 1050 Euro" zu akzeptieren. Und finanzieren sollen das Paradies natürlich die "Reichen" - sofern es dann überhaupt noch welche gibt. Doch keine Sorge: Die Linke kommt ja nicht in die Verlegenheit, ihre Wohltaten umsetzen zu müssen. Denn auch das war die Botschaft von Dresden: Noch schlimmer als Union und FDP sind SPD und Grüne. Das heißt im Umkehrschluss: Wer die Linkspartei wählt, der wählt garantiert Opposition pur.

Mit dieser Strategie kommt die Partei zwar ganz sicher auch in den nächsten Bundestag. Schon allein deshalb, weil die Sozialdemokraten mit Peer Steinbrück einen Kanzlerkandidaten aufbieten, dem viele Zeitgenossen die Rolle des sozialen Wohltäters einfach nicht abnehmen. Doch auf der anderen Seite dürfte die Linke mit ihrer "reinen Lehre" auch dafür sorgen, dass Angela Merkel Kanzlerin bleibt und den Koalitionspartner FDP allenfalls gegen die SPD eintauschen muss. Anstatt Maximalforderungen zu erheben, müsste es die Linke mal mit machbarer Politik versuchen. Das würde sicher weniger paradiesisch anmuten. Aber SPD und Grünen fiele es dann nicht mehr so leicht, sie als potenziellen Bündnispartner auszuschließen.

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