Wilders Aufstieg belegt Spaltung der Niederlande

Brüssel/Amsterdam. Geert Wilders mag sich in der Rolle des Hass-Predigers. Moscheen in seiner niederländischen Heimat will er schließen. Frauen, die sich auf der Straße mit einem Kopftuch zeigen, möchte er mit einer Strafsteuer belegen. Der Koran soll verboten werden, weil das heilige Buch des Islam ein Aufruf zum Terrorismus sei

Brüssel/Amsterdam. Geert Wilders mag sich in der Rolle des Hass-Predigers. Moscheen in seiner niederländischen Heimat will er schließen. Frauen, die sich auf der Straße mit einem Kopftuch zeigen, möchte er mit einer Strafsteuer belegen. Der Koran soll verboten werden, weil das heilige Buch des Islam ein Aufruf zum Terrorismus sei. Seit diesem Mittwoch steht der 46-jährige Chef der holländischen "Partei für die Freiheit" (PVV) in Amsterdam vor Gericht. Auf 22 Seiten hat die Staatsanwaltschaft zusammengetragen, was "Mozart", wie Geert Wilders in den Niederlanden unter Anspielung auf seine stets wasserstoffblondierte Mähne gerne genannt wird, sich an Volksverhetzungen geleistet haben soll. "Grenzen für alle nichtwestlichen Ausländer" hatte er gefordert, den "Tsunami der Islamisierung" will er stoppen. In seinem umstrittenen Film "Fitna", der vor zwei Jahren im Internet veröffentlicht wurde, leitet er islamistischen Terror direkt aus dem Koran ab. Und als wenn er die Provokation auf die Spitze treiben wollte, erschien der in Venlo lebende Politiker vor Gericht mit einer grünen Krawatte, der Farbe der Moslems.Über 200 Anhänger waren auch aus Belgien und Deutschland angereist, um ihr Idol zu unterstützen. Denn Wilders ist populär. 2006 errang seine Partei gerade mal neun von 150 Parlamentssitzen. Inzwischen liegt die PVV in Umfragen vor den Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Um es anders zu sagen: Wenn mutmaßlich im Herbst vorgezogene Neuwahlen stattfinden, könnte der Rechtspopulist Wilders die Macht in Holland übernehmen.Vor diesem Hintergrund fragen sich viele, ob es richtig war, ihm den Prozess zu machen. Schon bei der ersten Anhörung (das eigentliche Verfahren dürfte im März beginnen) nutzte der 46-jährige jede Gelegenheit, um sich vor laufenden Kameras als Opfer zu präsentieren. Wilders beruft sich bei allem, was er von sich gibt, auf die Meinungsfreiheit. Wer ihn bekämpft, wird damit schnell zum Gegner dieses Kerns niederländischer Tugenden abgestempelt. Er inszeniert seinen Prozess, will darauf drängen, den Marokkaner Mohammed Bouyeri vor Gericht zu zerren. Der hatte 2004 den islamkritischen Filmregisseur Theo van Gogh auf offener Straße erstochen und bei seinem Prozess erklärt, als gläubiger Muslim dürfe er jedem "den Kopf abhacken", der Allah beleidige. Dabei hat der "rechte Holländer" offenbar wieder einmal Glück, dass sein Auftritt zum richtigen Zeitpunkt erfolgt. Premier Balkenende gilt als angeschlagen, seitdem er unter dem Druck seines sozialdemokratischen Koalitionspartners vor wenigen Tagen einen Abschlussbericht zum holländischen Engagement im Irak-Krieg binnen 24 Stunden "neu bewerten" und den Truppeneinsatz infrage stellen musste. Wilders kometenhafter politischer Aufstieg zeigt eine tief greifende Spaltung des Landes. Die sprichwörtliche Liberalität der Nation existiert zunehmend nur noch in den elitären Zirkeln. Den Bürgern fällt dagegen auf, dass sich in den Städten moslemische Viertel gebildet haben, in die nicht einmal die Polizei freiwillig hineingeht. Der Mord an dem Rechts-Politiker Pim Fortuyn 2002 hat das Land aufgerüttelt, die Ermordung des Filmemachers Van Gogh hat die Holländer geschockt, Wilders gilt vielen als die notwendige Konsequenz aus diesen Vorgängen. "Der sagt, was alle denken", heißt es immer wieder. Es könnte sein, dass er demnächst auch tut, was er sagt.

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