Wie sich die Ost-Linke von Lafontaine emanzipiert

Berlin. Mit einer gewissen Berechtigung lässt sich die These vertreten, dass die Linkspartei in Deutschland nur noch wegen des spektakulären "Showdowns" an der Spitze interessant ist. Kontinuierlich verliert das Bündnis aus DDR-Nostalgikern, Salon-Sozialisten und Beton-Kommunisten an Attraktivität, die Umfragen zeigen eine düstere Perspektive

Berlin. Mit einer gewissen Berechtigung lässt sich die These vertreten, dass die Linkspartei in Deutschland nur noch wegen des spektakulären "Showdowns" an der Spitze interessant ist. Kontinuierlich verliert das Bündnis aus DDR-Nostalgikern, Salon-Sozialisten und Beton-Kommunisten an Attraktivität, die Umfragen zeigen eine düstere Perspektive. Viele Dauer-Enttäuschte der Berliner Republik wenden sich ab oder den Piraten zu, die den Vorteil haben, jünger, unverbrauchter und unorthodoxer zu wirken. Als sei es des Verdrusses nicht genug, sorgt nun ausgerechnet Übervater Oskar Lafontaine dafür, dass sich die doppelköpfige Ost-West-Partei weiter zerlegt: Aus dem erbitterten Kampf um die Parteiführung, der eigentlich ein veritabler Richtungsstreit ist, wird keiner der Protagonisten ohne Blessuren davon kommen.Jetzt hat sich sogar Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi von seinem alten Freund Oskar distanziert. Dem Vernehmen nach ist der genervte Gysi es leid, die "Selbstherrlichkeit" des machtbewussten Saarländers länger zu verteidigen. Im Zentralorgan "Neues Deutschland" ist nachzulesen, wie sehr sich gerade die ostdeutschen Linken von dem vermeintlichen Heilsbringer Lafontaine abgewendet haben. Sie legen keinen Wert (mehr) darauf, dass er souverän agiert wie kein Zweiter, dass seine politischen Analysen von klarer Struktur sind und er das Herz der Vorzeige-Kommunistin Sahra Wagenknecht erobert hat. Gerade die Ostdeutschen wollen vielmehr endlich ernst genommen werden und praktische Ergebnisse sehen, sie haben die Nase voll vom dauernden Diktat aus dem Westen, das Lafontaine verkörpert. Ihr neuer Held heißt Dietmar Bartsch, der undogmatische Pragmatiker aus Stralsund.

Lafontaine, einst ein ausgefuchster Stratege, hat sich bei seinem Comeback-Versuch schwer verkalkuliert. Ursprünglich wollte er nach seiner Krebserkrankung daheim im Saarland bleiben, vor zwei Jahren sagte er dem "Tagesspiegel" in Berlin: "Damit das klar ist: Einen Sitzplatz in der ersten Reihe strebe ich nicht mehr an." Seit er wieder gesund und neu liiert ist, gilt das nicht mehr. Jetzt wollte er sich seiner Partei, die ohne wirkliche Führung dahinsiechte, wieder als ordnende Kraft zur Verfügung stellen, dabei helfen, die "existenzielle Krise" (Wagenknecht) zu überwinden. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Leute sind des populistischen Gehabes müde, sie haben gemerkt, dass die Linken zwar nervig bellen, aber nicht beißen wollen. Und genau das ist Lafontaines Problem: Seine Hardliner-Truppe scheut den Kompromiss wie der Teufel das Weihwasser. Sie will an der reinen Lehre festhalten wie früher das Moskauer Politbüro, das in boshafter Sturheit das ganze System an die Wand gefahren hat.

Dass der "Reformer" Dietmar Bartsch den Fundamentalismus beenden und die Partei öffnen will, ist nachvollziehbar, denn die Linke tritt seit Jahren auf der Stelle. Es gehört zur Tragik Lafontaines, dass er sich gegen diese Strömung stemmen muss, denn jedes Nachgeben würde seinen Platzhirsch-Status verletzen und könnte als Eingeständnis interpretiert werden, zu lange an der falschen Strategie festgehalten zu haben. Nach Gysis Schwenk muss die Oskar-Fraktion nun erst recht damit rechnen, dass Bartsch auf seinem Anspruch auf den Vorsitz beharrt. Für Lafontaine, der eine Kampfkandidatur ausgeschlossen hat, kann dies eigentlich nur den Rückzug bedeuten. Auch das wäre wahrlich "keine Krönung meiner Karriere".

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