Wie Osama bin Laden die arabische Welt spaltet

Doha. In der arabischen Welt stehen derzeit alle Zeichen auf Versöhnung. Staatschefs wie König Abdullah von Saudi-Arabien und Syriens Präsident Baschar al-Assad, deren Verhältnis seit Jahren von tiefer Abneigung geprägt ist, reichen einander herzlich die Hände

Doha. In der arabischen Welt stehen derzeit alle Zeichen auf Versöhnung. Staatschefs wie König Abdullah von Saudi-Arabien und Syriens Präsident Baschar al-Assad, deren Verhältnis seit Jahren von tiefer Abneigung geprägt ist, reichen einander herzlich die Hände. In Kairo verhandeln die Vertreter der rivalisierenden Palästinenser über eine Einheitsregierung, nachdem sie sich in den vergangenen zwölf Monaten abwechselnd als Verräter, Folterer und heimliche Verbündete Israels geschmäht hatten. Selbst im Irak sprechen die religiösen Schiiten-Parteien neuerdings mit ihren ehemaligen Erzfeinden vom gemäßigten Flügel der Baath-Partei Saddam Husseins. Und just in diesem Moment taucht ein aggressiver Osama bin Laden mit einer neuen Botschaft aus dem Untergrund auf. Der Al-Qaida-Anführer verbreitet darin Parolen, die dazu angetan sind, die gerade erst halbwegs zugeschütteten Gräben zwischen Extremisten, Monarchen, Profiteuren und Islamisten wieder aufzureißen. So trennt er nicht nur zwischen Muslimen auf der einen und "Ungläubigen" auf der anderen Seite. Nein, diesmal zielt er auf die Spaltung zwischen den Muslimen und den (muslimischen) "Heuchlern" ab, welche im Koran auf eine Stufe mit den "Ungläubigen" gestellt werden. Auf dem Tonband, das der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira am Wochenende ausstrahlte, hetzt Bin Laden den palästinensischen Dschihad und die Hamas, die Fatah-Bewegung und das saudische Königshaus, die Syrer und die libanesische Führung neuerlich gegeneinander auf. Er ruft zum gewaltsamen Umsturz in Saudi-Arabien und Ägypten auf. Und stellt einen Begriff infrage, der den Arabern schon seit Jahren fragwürdig erscheint: den Begriff des "moderaten arabischen Herrschers". Der weltweit meistgesuchte Terrorist hebt, verächtlich und kalkuliert, ab auf "diejenigen, die von den USA moderat genannt werden" - und weiß wohl, dass er mit dieser Formulierung für Zündstoff sorgt.Westliche Regierungen meinen mit dieser Bezeichnung meist die Staats- und Regierungschefs von Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien und Kuwait, Tunesien und Libanon. Viele arabische Kommentatoren ziehen den Begriff jedoch seit längerer Zeit in Zweifel. Sie fragen: Ist Ägypten wirklich moderat? Schließlich gibt es genügend Belege für Folter in Polizeistationen und Schikanen gegen Oppositionelle. Und: Kann Saudi-Arabien als moderat gelten, obwohl es dort keine Parlamentswahlen gibt und Frauen von der Religionspolizei gezwungen werden, sich auf der Straße tief zu verschleiern?Dass sich Bin Laden nun verstärkt auf seine arabischen Feinde einschießt, mag auch an Barack Obama liegen. In der Ära des für Toleranz und Partnerschaft werbenden US-Präsidenten ist es schwieriger als unter dessen Vorgänger George W. Bush, gegen den "Teufel Amerika" zu wettern. Und auch im Irak, wo die Amerikaner ihren Abzug einleiten und die Feinde von einst das Gespräch suchen, ist es für Terroristen nicht mehr so einfach, zum "Heiligen Krieg" aufzurufen. Das neue Schlachtfeld soll nun nach dem Willen Bin Ladens der Gazastreifen werden. Doch dort könnten seine jungen, mit Sprengstoff beladenen Anhänger auf Widerstand stoßen. Nicht nur bei den Ägyptern, die ein Einsickern von Al-Qaida-Terroristen in das palästinensische Gebiet zu verhindern suchen würden, sondern auch bei den Islamisten in Gaza - die würden die fremde "Gotteskrieger" nicht unbedingt mit offenen Armen empfangen.

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