Wettlauf gegen die Zeit

Ein Gefühl verbindet Barack Obama mit dem neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani: Beide traten ihren Weg zur Macht als Außenseiter an. Die Wähler sahen sie als Hoffnungsträger, die ihre Länder aus einer Wirtschaftskrise führen sollten.

Der Irakkriegs-Gegner Obama versprach, das angeschlagene Image der Supermacht USA aufzupolieren. Ruhanis oberste Priorität ist es, sein Land aus der Isolation zu führen. Nach dem Amtsantritt des Iraners haben die beiden moderaten Führer nun die Chance, einen Neuanfang zu versuchen und einen Ausweg aus dem Atomstreit zu finden.

Das Weiße Haus sandte eine Geste des guten Willens in Richtung Teheran. Einseitig lockerte Washington Beschränkungen bei der Lieferung medizinischer Geräte, landwirtschaftlicher Produkte und bei der humanitären Hilfe. Jetzt ist Ruhani am Zug. Er muss zeigen, dass ihm ernsthaft an einer Verbesserung der Beziehungen zu den USA gelegen ist. Die Nominierung des als gemäßigt geltenden Mohammed Dschwaad Sarif zum Außenminister ist bereits ein solches Zeichen. Sarif verkörpert wie kein anderer Politiker im Iran die Hoffnung auf eine Annäherung an den "großen Satan", wie die Vereinigten Staaten dort gern genannt werden.

Zusammen mit Ruhani verhandelte Sarif nach dem 11. September 2001 den letzten ernsthaften Versuch, die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Ergebnis der Diplomatie war im Oktober 2003 das einzige Nuklear-Abkommen Teherans mit dem Westen.

Die offene Frage bleibt nach Einschätzung von Experten, wie viel Spielraum der geistliche Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, dem künftigen Präsidenten lässt. Schließlich trifft nicht Ruhani, sondern der allmächtige Chamenei die letzte Entscheidung über das Atomprogramm.

Und auch Obama kann nicht, wie er will. Binnen Jahresfrist muss er einen diplomatischen Durchbruch schaffen, der das iranische Atomprogramm beendet. Israel hat klargemacht, dass es nicht abwarten wird, bis Teheran genügend Material für eine Atombombe hat. Der US-Präsident steht seinerseits im Wort, einen nuklear bewaffneten Iran nicht zu erlauben. Hinzu kommt Druck vom Kongress, der weitere Sanktionen anstrebt. Bislang lässt sich Obama nicht von seinem Fahrplan abbringen, bei der Generalversammlung der Internationalen Atomenergie-Organisation im September die entscheidende Verhandlungs-Phase einzuläuten. Dort muss Ruhani zeigen, wie ernst er es meint.

Während bislang stets die falschen Charaktere aufeinandertrafen, begrenzen nun die Rahmenbedingungen die Erfolgschancen für zwei Führer, die sich verstehen könnten. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit - und gegen die Scharfmacher auf beiden Seiten.

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