Weshalb die Volkszählung keine biblische Schätzung ist

Berlin. Im Jahr 2011 wird eine Volkszählung in Deutschland stattfinden, die im nächsten Jahr intensiv vorbereitet wird. Dieser Zensus ist aber weder eine Zählung aller Bürgerinnen und Bürger, noch werden dabei personenbezogene Daten erfasst. Eine klassische Volkszählung fand in der Bundesrepublik zuletzt 1987 statt und verursachte damals jede Menge Ärger

Berlin. Im Jahr 2011 wird eine Volkszählung in Deutschland stattfinden, die im nächsten Jahr intensiv vorbereitet wird. Dieser Zensus ist aber weder eine Zählung aller Bürgerinnen und Bürger, noch werden dabei personenbezogene Daten erfasst. Eine klassische Volkszählung fand in der Bundesrepublik zuletzt 1987 statt und verursachte damals jede Menge Ärger. Viele hatten dabei die aus der Weihnachtsgeschichte wohlvertraute "Volkszählung" im Kopf, bei der das Römische Reich in der Tat persönliche Akten anlegte. So heißt es im Lukas-Evangelium: "Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, (. . .) damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe."Es war keine statistische Erhebung, die Kaiser Augustus da angeordnet hatte - er wollte vielmehr eine Adresskartei aufbauen, damit die Weltmacht Rom effektiv Steuern eintreiben konnte. Heute hingegen geht es bei der Volkszählung um anonyme Statistiken, also um Größe und Struktur der Bevölkerung. Dass die biblische Schätzung nichts mit Statistik zu tun hatte, kann man schon daran erkennen, dass Familien an ihrem Geburtsort gezählt wurden. Das wäre für eine rein statistische Erhebung ein völlig überflüssiger Aufwand gewesen. Die damals extrem mühseligen Reisen waren aber notwendig, weil nur ganze Sippen besteuert wurden. Ein moderner Zensus dagegen soll lediglich die Einwohnerzahlen in ihren Summen möglichst genau feststellen.Diese Zahlen sind die zentrale Basis für die Finanzströme im Staat. Wie viel Geld zwischen Kommunen, Ländern, dem Bund und an die Europäische Union fließt, hängt ab von der Bevölkerungsgröße. Auch für die Stimmenzahl der Länder im Bundesrat und für den Zuschnitt von Wahlkreisen sind möglichst genaue Einwohnerzahlen nötig. Zwar würde man den Finanzausgleich ja eigentlich anhand der Leistungsfähigkeit von Regionen ausgestalten. Dann aber gäbe es endlosen Streit um die Messung. Deswegen nutzt man die Einwohnerzahl als vergleichsweise einfach zu bestimmende Hilfsgröße. Diese Hilfsgrößen wiederum lassen sich heutzutage durch Auszählen ohnehin vorhandener Daten bei den Einwohnermeldeämtern und den Sozialversicherungen ermitteln, ohne dass man Hunderttausende von Zählern durchs Land schicken muss. Weil in den Melderegistern und Sozialversicherungsdaten jedoch Fehler enthalten sind, wird die auf diesem Weg ermittelte Einwohnerzahl nicht absolut exakt sein. Das war sie aber auch nicht, als noch gezählt wurde. Um die gröbsten Fehler auf Basis der Statistik-Register zu korrigieren, etwa weil sich Leute bei einem Umzug nicht am alten Wohnort abmelden, wird es 2001 - für rein statistische Zwecke - eine zusätzliche Stichproben-Erhebung bei rund zehn Prozent der Bevölkerung geben. Dabei werden auch einige wichtige sozialstrukturelle Informationen abgefragt, etwa der Bildungsabschluss. "Persönlichkeitsprofile" kann man daraus bestimmt nicht ableiten. Die Erhebung des religiösen Bekenntnisses und des "Migrationshintergrunds" trägt unseren gewandelten gesellschaftlichen Strukturen Rechnung. Insgesamt handelt es sich also beim "Zensus" um eine notwendige und zugleich wenig aufregende Statistik. Der Berliner Volkswirtschaftsprofessor Gert G. Wagner ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats "Zensuskommission". Dieses Gremium wurde erstmals für eine Volkszählung berufen.

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