Wer nicht geht zur rechten Zeit . . .

Berlin · So schnell, wie das Dementi kam, konnten auch die Journalisten vom „Stern“ kaum gucken. „Das entbehrt jeder Grundlage“, erklärte das Bundespresseamt zur Meldung des Magazins, dass Angela Merkel 2016 das Amt der Bundeskanzlerin abgeben wolle, um sich dann mit Ehemann Joachim Sauer auf eine Pan-Amerika-Reise zu begeben.

Schon im April habe die Kanzlerin erklärt, dass sie im Fall eines Wahlsieges am 22. September für "die ganze nächste Legislaturperiode" antrete, hieß es offiziell.

Kann stimmen, muss aber nicht. Höchst unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Meldung auf echten Insider-Informationen beruht. Wenn Merkel halbwegs bei Trost ist, und das ist sie, würde sie außer ihrem Mann niemandem erzählen, dass sie einen vorzeitigen Rückzug plant. Denn gerade läuft ein Bundestagswahlkampf, der ganz auf sie zugeschnitten ist. Und den könnte sie dann vergessen. Dennoch gibt es durchaus Grundlagen für die Spekulation.

In der CDU kann man nämlich schon jetzt hören, dass die Kanzlerin sich ihren Abgang irgendwann organisieren müsse. Dass sie nicht wie Helmut Kohl warten dürfe, bis die eigenen Leute und die Wähler ihrer überdrüssig seien. Und man kann auch hören, dass diese Debatte nach dem 22. September wohl lauter werde, weil Merkel nun schon acht Jahre amtiere, bei der übernächsten Wahl wären es zwölf.

Grundlage der "Stern"-Geschichte, wonach Merkel 2016 und damit ein Jahr vor der übernächsten Bundestagswahl einen geordneten Übergang plant, ist die Annahme, dass der Nachfolger dadurch Zeit zur Profilierung erhielte, damit er die Wahl 2017 gewinnen kann. Doch noch nie hat die Kanzlerschaft ruhig gewechselt. Alle Amtsinhaber gingen wegen Intrigen in der eigenen Partei (Adenauer, Erhard, letztlich auch Brandt) oder wurden abgewählt (Kiesinger, Kohl, Schröder), Schmidt stürzte durch ein Misstrauensvotum.

Bei Merkel kommt eine große Erschwernis hinzu: Es gibt keinen geborenen Nachfolger, wie es etwa Wolfgang Schäuble unter Helmut Kohl war, bis der ihn als Daueraspiranten verhungern ließ. Ursula von der Leyen ist derzeit die einzige Kandidatin. Aber ein Teil der Union akzeptiert sie nicht. Riefe Merkel sie zur Erbin aus, würde dieser Teil womöglich rebellieren und vielleicht sogar einen Gegenkandidaten aufstellen. Es könnte eine Urwahl geben, in jedem Fall entstünde erhebliche Unruhe. Auch die CSU würde mitreden wollen. Zudem müsste ein Wechsel schnell vonstatten gehen, nach dem Motto: Die Königin ist tot, es lebe die neue Königin. Aber macht das auch der Koalitionspartner mit, egal wer es ist? Mindestens die SPD würde, falls nach dem 22. September eine große Koalition regiert, wohl die Chance für eine Neuwahl nutzen. Die Union müsste diesen Wahlkampf dann ziemlich derangiert bestreiten.

All diese Umstände machen einen Wechsel 2016 eher unwahrscheinlich. Merkel könnte allerdings etwa ein Dreivierteljahr vor der übernächsten Wahl erklären, dass sie nicht mehr antritt - um den Preis, dass sie ihre letzten Regierungsmonate sehr geschwächt durchstehen müsste. Oder sie könnte doch wieder ins Rennen gehen, dann 63 Jahre alt. Schließlich gilt die Rente mit 67. Das Übergabeproblem freilich würde so nur vertagt und die Chance, auf dem Höhepunkt des Ansehens zu gehen, womöglich vertan. Es ist eine verzwickte Aufgabe.

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