Wer folgt auf Nikolaus Schneider?

Dresden · Wenn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) heute in Dresden einen Nachfolger für Nikolaus Schneider an die Spitze der 23,4 Millionen Protestanten wählt, wartet auf den neuen Kirchenführer ein schwieriges Amt.

Einerseits muss er einer schrumpfenden Kirche in einer immer glaubensferneren Gesellschaft Gehör verschaffen. Andererseits werden klare Positionen in Fragen wie Sterbehilfe , Flüchtlingspolitik oder dem Umgang mit dem Islam verlangt. Dazu kommen drängende Reformen und der mühsame Dialog mit den Katholiken . Favorit für das Amt ist der Münchner Bischof Heinrich Bedford-Strohm.

Der am Sonntag verabschiedete EKD-Chef Schneider listete die Baustellen in seiner letzten Grundsatzrede auf. Allen voran ist es der drohende Verlust des Glaubens. Der Fokus solle auf dem Religionsunterricht, Kindergottesdiensten und Glaubenskursen für Erwachsene liegen. Um Jüngere besser zu erreichen, diskutierte das Kirchenparlament gestern über digitale Wege der Glaubensverkündung - von Twitter-Gottesdiensten und Internetkirchen war die Rede.

Weiter am Fundament der Kirche nagt die Diskussion um den Fortbestand des Sonderwegs beim Arbeitsrecht samt der Frage eines Streikrechts. Diskussionen um die Kirchensteuer kosten Mitglieder, und auch wenn zum Jubiläum des Mauerfalls die wichtige Rolle der Kirche unterstrichen wurde, steht ihre Verankerung im Staat in letzter Zeit immer wieder zur Debatte.

Nach wie vor aber hat das Urteil der Kirche hohes Gewicht, Beispiel Sterbehilfe . Mahnende Worte Schneiders zur Flüchtlingspolitik erreichten über die Fernsehnachrichten ein Millionenpublikum. Zur Vertiefung des Dialogs mit den muslimischen Verbänden ermunterte die EKD am Sonntag auch Innenminister Thomas de Maizière. Im Kampf gegen Dschihadisten in Deutschland sollen die Verbände eine größere Rolle spielen - die Kirche ist dabei willkommener Mittler.

Zwar kann der EKD-Chef nicht bis in die 20 Landeskirchen durchregieren, er ist aber ein wichtiger Impulsgeber und muss die Dinge gerade biegen, wenn Kirchenpositionen wie jüngst zum Familienbild Kritik auslösen. Vom ehemaligen Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber kam der Anstoß für eine grundlegende Reform der Kirchenstrukturen, seine Nachfolgerin Margot Käßmann sorgte für eine noch stärkere Präsenz in der Öffentlichkeit. Käßmanns früher Abgang nach einer Alkoholfahrt führte zu einer Übergangphase. Ihr Stellvertreter Schneider sprang zunächst ad hoc und dann für den Rest der eigentlich bis 2015 laufenden Amtszeit in die Bresche. Nun tritt Schneider für die Pflege seiner krebskranken Frau vorzeitig ab.

Zwar wäre denkbar, Schneiders Stellvertreter Jochen Bohl (64), den sächsischen Landesbischof, für das letzte Jahr der Amtsperiode nachrücken zu lassen. Vieles aber spricht dafür, den als Favorit für die folgende sechsjährige Amtszeit gehandelten Bedford-Strohm (54) vorzeitig an die Spitze zu wählen. Schneller wäre Kontinuität hergestellt, die gerade für das 500-jährige Reformationsjubiläum 2017 von Bedeutung ist. An gemeinsame Feierlichkeiten tasten Protestanten und Katholiken sich begleitet von Irritationen noch heran. Bedford-Strohm wäre geeignet, den Prozess zu beschleunigen. Er hat nicht nur wie der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx , seinen Amtssitz in München - beide haben auch einen guten Draht zueinander.

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