Wenn Politiker plötzlich die Seiten wechseln

Berlin · Der Wechsel kam urplötzlich, und er bringt die Nord-SPD gehörig in die Bredouille: Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner, qua Amt auch zuständig für den Wohnungsbau, tauscht seinen Ministersessel gegen einen Führungsjob in der Wohnungswirtschaft.

"Extrem ungünstig" nennt Landesparteichef Ralf Stegner den Eindruck einer Interessen-Verquickung. Jetzt will er schnell ein Landesgesetz gegen solche abrupten Seitenwechsel vorlegen. Im Bund allerdings, wo Stegner Parteivize ist, verzögert seine SPD bisher zusammen mit der Union eine entsprechende Regelung.

Schon seit Januar gibt es im Bundestag einen Antrag der Grünen, der die Regierung auffordert, ein "Karenzzeit-Gesetz" für ausscheidende Regierungsmitglieder vorzulegen. In einem Zeitraum von drei Jahren nach dem Ausscheiden, so die Idee der Grünen, soll ehemaligen Ministern eine Tätigkeit untersagt werden können, "wenn diese mit dem früheren Amt in Konflikt stehen kann".

Auslöser des Vorschlags war Ronald Pofalla (CDU ). Der ehemalige Kanzleramtschef wollte umstandslos zur Deutschen Bahn wechseln und als deren oberster Lobbyist mit einem Millionengehalt in den Konzernvorstand einrücken. Selbst Kanzlerin Angela Merkel riet damals zu einer "zeitlichen Distanz", die dann auch hergestellt wurde. Allerdings zwangsweise. Wegen der massiven Kritik beschloss die Bahn, Pofalla erst zu Beginn des kommenden Jahres einzustellen, und das auch nicht gleich mit einer Vorstandsvergütung. Mit dem Wechsel von Ex-Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP ) als Rüstungslobbyist zu Rheinmetall gab es in diesem Jahr dann gleich noch einen problematischen Vorgang im Bund.

In der Koalitionsvereinbarung von Union und SPD war auf Druck der Sozialdemokraten eigentlich eine "angemessene Regelung" des Problems versprochen worden. Der SPD schwebt schon länger eine Karenzzeit von 18 Monaten vor, analog zur Regelung der Europäischen Kommission. Doch umgesetzt wurde das Koalitionsvorhaben bisher nicht. Die Regierung legte einfach keinen Vorschlag vor. Der Antrag der Grünen wurde im Innenausschuss zwei Mal von der Tagesordnung abgesetzt. In den Ländern wiederum berufen sich SPD- oder Unions-Politiker auf das Fehlen einer Bundesregelung, wenn die Opposition dort Karenzzeiten fordert. So geschehen kürzlich in Mecklenburg-Vorpommern, wo es einen ähnlich umstrittenen Fall gab wie jetzt in Schleswig-Holstein.

Nun scheint sich die Sache allerdings zu beschleunigen. Die Grünen haben das Thema für nächste Woche auf die Tagesordnung sowohl des Innenausschusses wie des Bundestages gesetzt - eine dritte Verschiebung ist nicht möglich. Mit Spannung erwarten sie, was die Regierung nun konkret vorschlagen wird. Der Kieler Vorgang sorgt zweifellos für zusätzlichen Druck. Allerdings ist der Gegenstand nicht ganz einfach zu regeln. Schließlich ist Minister ein Job auf Zeit, den man jederzeit auch ohne eigenes Zutun verlieren kann. Eine Einschränkung der Berufsfreiheit muss wohlbegründet und klagefest sein. Zudem ist der Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik im Prinzip eigentlich erwünscht. Jedenfalls dann, wenn es keine Verquickung von Interessen gibt.

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