Wenn Franz Josef Strauß das alles wüsste

Berlin/Saarbrücken · Bayern und Hessen klagen gegen den Länderfinanzausgleich . Rund acht Milliarden Euro aus deren Steueraufkommen werden jährlich zugunsten der leistungsschwächeren Regionen umverteilt. Das System gibt es seit Geburt der Bundesrepublik, es soll die "unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen ausgleichen", wie es im Grundgesetz heißt.

Bis 2019 müssen die Finanzbeziehungen wegen des Auslaufens des Solidarpaktes neu geordnet werden; die Verhandlungen haben begonnen. Vor allem die CSU ist dabei nicht zimperlich, da Bayern mit rund drei Milliarden am meisten abführen muss. "Eigene Anstrengungen müssen wieder belohnt und Nichtstun und Empfängermentalität bestraft" werden - begründete Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU ) die Klage.

Vor gut 45 Jahren, als die CSU-Ikone Franz Josef Strauß Bundesfinanzminister war, klang das noch ganz anders. Damals freilich war Bayern noch Nehmerland. Strauß hielt im Bundesrat am 7. Februar 1969 eine Rede, die die Verteidiger des Länderfinanzausgleichs heute als Blaupause nehmen könnten. Es sei nicht hinnehmbar, wenn in einem Land Schulen oder Krankenhäuser schlechter ausgestattet seien als in einem anderen, "nur weil die wirtschaftliche Tätigkeit in den einzelnen Teilen der Bundesrepublik verschieden angelegt ist". Strauß sprach anlässlich der von ihm vorgelegten großen Finanzreform, in deren Rahmen der Finanzausgleich noch ausgedehnt wurde - nicht eingeschränkt.

Der Minister fand nämlich, dass "Zufälligkeiten der Unternehmenskonzentration" und "technisch bedingte Konsequenzen der Steuerabführung" zu den Einnahmeunterschieden führten. Er nannte das Beispiel Körperschaftssteuer. Sie wird dort verbucht, wo der Hauptsitz eines Unternehmens ist. Ausdrücklich erwähnte er den Siemens-Konzerns, der seine Einnahmen in München versteuere, auch wenn er in Bremen oder Niedersachsen wirtschafte. "Leider", fügte Strauß großzügig hinzu. Damals freilich war Siemens eine Ausnahme in Bayern. Insgesamt lag der Freistaat mit 94,4 Prozent bei der Einkommens- und 64 Prozent bei der Körperschaftssteuer weit unter dem Bundesniveau. Heute hingegen ist Bayern mit 125 Prozent vom Durchschnitt das Spitzen-Einnahmeland, nicht zuletzt, weil dort inzwischen viele Konzernzentralen sitzen. Zum Vergleich: Die Ost-Länder haben nur rund 50 Prozent, das Saarland knapp 80 und das größte Nehmerland Berlin 87 Prozent Steuerkraft.

Strauß war ein Überzeugungstäter, er schrieb sogar ein Buch, in dem er verlangte, den Finanzausgleich "wesentlich zu intensivieren". Dabei müsse auch die Finanzkraft der Gemeinden besser berücksichtigt werden - ein Punkt, von dem man in Bayern auch nichts mehr wissen will. Weil der Freistaat sonst noch mehr zahlen müsste, da viele Kommunen inzwischen reicher sind als im Rest der Republik. Strauß' Begründung für alles: "In modernen Industriegesellschaften wie der unseren müssen alle gleichartigen öffentlichen Aufgaben grundsätzlich auch gleichwertig erfüllt werden." Denn die "Einheitlichkeit" der Lebensverhältnisse sei "Auftrag des Grundgesetzes". Wenn das der Seehofer wüsst'.

Man darf annehmen: Er weiß es sehr genau. Falls nicht, sei ihm die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Die Politische Meinung" empfohlen. Saar-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) schreibt darin etwas über Schieflagen bei der Steuerverteilung. Ganz am Schluss erinnert sie auch an: Franz Josef Strauß . . .

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