Wenn das private Schicksal ins Politische ausstrahlt

Erfurt. Als Beata Christandl am Mittwoch im österreichischen Riegersburg beigesetzt wurde, wusste Dieter Althaus, mit dem sie beim Skifahren auf der Riesneralm zusammengeprallt war, noch nichts von ihrem Tod. Vermutlich hatte der thüringische Ministerpräsident in seinem Krankenbett im österreichischen Schwarzach auch keine Erinnerung an den Unfall. Von beidem wird er bald erfahren

Erfurt. Als Beata Christandl am Mittwoch im österreichischen Riegersburg beigesetzt wurde, wusste Dieter Althaus, mit dem sie beim Skifahren auf der Riesneralm zusammengeprallt war, noch nichts von ihrem Tod. Vermutlich hatte der thüringische Ministerpräsident in seinem Krankenbett im österreichischen Schwarzach auch keine Erinnerung an den Unfall. Von beidem wird er bald erfahren. Und das wird sein Leben verändern.Es versteht sich von selbst: Derzeit verbieten sich alle öffentlichen Spekulationen darüber, wie der Mensch Althaus mit diesem Wissen umgehen und wie sich dieses Erleben auf den Politiker Althaus auswirken wird. Und erst recht verbieten sich Mutmaßungen über die Schuldfrage. Ermittlungen sind Aufgabe der Behörden, und diese werden sie objektiv und unabhängig führen. Derweil tut es wohl zu registrieren, dass sich auch die politischen Konkurrenten des CDU-Politikers mit voreiligen Statements zu dem Geschehen zurückhalten. Unterstellen wir ruhig, dass sie es aus aufrichtig empfundenem Mitgefühl tun und nicht aus dem Kalkül heraus, womöglich mit falschen Worten zur falschen Zeit wahlvorentscheidende Fehler zu begehen. Denn in Thüringen wird Ende August ein neuer Landtag gewählt. Schon in den nächsten Wochen wird der Wahlkampf beginnen. Die CDU hat eine absolute Mehrheit zu verteidigen. Und was beim Rückzug des damaligen Ministerpräsidenten und Ex-Landesparteichefs Bernhard Vogel im Jahr 2003 kaum jemand vermutet hatte, als er den stets ein wenig blässlich wirkenden damaligen Fraktionsvorsitzenden als seinen Nachfolger vorstellte: Heute ist Dieter Althaus die Thüringer CDU. Beim jüngsten Landesparteitag Mitte November in seinem Geburtsort Heiligenstadt wurde der 50-Jährige mit 100 Prozent der Stimmen zum Landesvorsitzenden wiedergewählt. Und in Umfragen wird Althaus, der seit 2006 auch dem Präsidium der Bundespartei angehört, zum prominentesten CDU-Politiker Ostdeutschlands erklärt. So kann es nicht verwundern, dass die thüringischen Christdemokraten nach ihrer ersten Schockreaktion nun voll und ganz auf die baldige Wiederkehr ihres Spitzenmannes setzen. Aus politischer Sicht muss die Partei wohl so handeln. Zumal erst Mitte März, beim nächsten Landesparteitag, die Listen für die Landtagswahl aufgestellt werden. Die Partei hofft auf eine schnelle Genesung von Althaus. Der Wahlkampf ist und bleibt ganz auf ihn zugeschnitten. Doch baut solcherlei geballter Optimismus nicht einen unangemessenen Erwartungsdruck auf? Bei allem Verständnis für wohlmeinende Genesungswünsche: Sein traumatisches Erlebnis muss Dieter Althaus ganz für sich allein aufarbeiten. Auch dann, wenn sich seine Unschuld zweifelsfrei erweist. Experten und seine Familie können ihm dabei helfen, aber eine politische Fangemeinde kann ihm diese Bürde nicht abnehmen. Und: Der innere Kampf dürfte schwieriger sein als ein Wahlkampf. Dass sich sein eigener Entscheidungsspielraum dagegen extrem verengen wird, falls sich eine schuldhafte Verstrickung in den Unfall herausstellen sollte, liegt auf der Hand. Denn dann wäre alle Zurückhaltung dahin. Dann wäre Wahlkampf in Thüringen. Vorzeitig.

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