Weber besucht Orban Europa-Politiker wollen Ungarn nicht verlieren

Budapest · Nachdem alle Warnungen und Ultimaten in Richtung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban nichts genützt haben, hat Manfred Weber es nun persönlich versucht. Der CSU-Politiker und Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahl reiste am gestrigen Dienstag zum Gespräch mit Orban nach Budapest.

Der Ungar, der seit Jahren gegen die Migrationspolitik der EU schießt, sollte zumindest ein wenig zur Raison gerufen werden. Und die rechtsnationale Fidesz-Partei so in der europäischen Parteienfamilie EVP gehalten werden. Am Ende hält Weber allerdings wenig Greifbares in den Händen: „Wir bleiben weiter im Gespräch“, sagte er nach dem Gespräch mit Orban.

Bei Webers Intervention dürften etliche Überlegungen eine Rolle gespielt haben: das Verhältnis der deutschen Unionsparteien CDU und CSU zur Fidesz; eine mögliche Ost-West-Spaltung der EU und vor allem seine eigenen Ambitionen auf den Spitzenposten der EU-Kommission.

Dabei ist die Sache eigentlich klar: Mit seiner jüngsten Plakataktion gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und den liberalen US-Milliardär George Soros hat Orban selbst bei Wohlmeinenden eine Grenze überschritten. Auch der Geduldsfaden von Kanzlerin Angela Merkel ist mit Blick auf Ungarns Regierungschef stark gespannt. Sie hält dessen Attacken auf die EU-Migrationspolitik und die Plakatkampagne für schwerwiegend. Da könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Pünktlich zu Webers Besuch übte Orban sich zumindest in Kosmetik. Als Weber vom Flughafen in die Stadt fuhr, dürfte ihm der etwas ungewöhnliche Anblick am Straßenrand nicht entgangen sein: Die Schnellstraße, die ins Zentrum führt, war gesäumt von Plakatwänden, auf denen nichts zu sehen war außer blanker Leere.

Tatsächlich hatten in der Nacht Trupps der Plakatfirmen die Poster jener Anti-EU-Kampagne entfernt, die Stein des Anstoßes für Webers Vermittlungsmission in Budapest war. Zumindest entlang der Flughafenstraße. Andernorts waren die Juncker-Plakate noch zu sehen. Und ob Orban sich für die Kampagne – wie von Weber gefordert – entschuldigen wird, ist eher unwahrscheinlich.

Mittlerweile halten auch andere führende CDU-Politiker die Angriffe Orbans für inakzeptabel – gerade auch wegen antisemitischer Untertöne. Doch wie so oft bei der pragmatischen Kanzlerin gibt es auch in der Causa Orban für Merkel mehr als einen Aspekt zu bedenken.

Selbst ausgewiesene Orban-Kritiker weisen in der Union darauf hin, dass ein Fidesz-Rauswurf aus der EVP zu einer Art Spaltung der EU führen könnte. Der Berliner CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mahnte gestern, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. „Die Europäische Volkspartei ist ein hohes Gut.“ Verlasse Fidesz die EVP, sei dort kein Mitglied der Visegrad-Staaten – Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn – mehr vertreten, warnen auch andere Granden der Union. Angesichts der Versuche Russlands oder Chinas, Europa zu spalten, könne das niemand wollen.

Die Fidesz-Stimmen im neuen EU-Parlament könnten nach der Europawahl Ende Mai zudem ausschlaggebend für Webers Chancen auf die Juncker-Nachfolge werden. Laut Vorhersagen von Ende Februar hätte die EVP-Fraktion in der kommenden Legislatur ohne Fidesz 13 Sitze weniger. Die EVP würde eines ihrer stärksten Mitglieder verlieren und käme auf 168 Mandate. Täte sich Fidesz mit den populistischen und teilweise extremistischen Parteien rechts von der EVP zusammen, kämen sie der Vorhersage zufolge zusammen auf 157 Sitze. Damit wären sie fast so groß wie die stärkste Gruppe, die EVP. Ein wenig Zeit für Diplomatie innerhalb der Parteienfamilie bleibt noch bis zur EVP-Entscheidung am 20. März.

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