Was wusste Winterkorn wann vom Abgas-Skandal?

Berlin/Wolfsburg · Ein Technik-Freak, ein detailversessener Top-Manager, der jede wichtige Entscheidung selbst trifft. Das war das Image Martin Winterkorns - es holt den Ex-VW-Konzernchef immer noch ein. Denn auch 16 Monate nach seinem Rücktritt bleibt eine Schlüsselfrage im Abgasskandal: Was wusste er wann von den Manipulationen? Oder wusste er sogar nichts?

Rückblick: Am 22. September 2015 veröffentlicht VW eine Videobotschaft Winterkorns. Vier Tage zuvor hatten US-Umweltbehörden gefälschte Abgasdaten bei Dieselautos bekanntgemacht. Mit holpriger Stimme verspricht der Manager "schonungslose Aufklärung", und spricht von "schlimmen Fehlern einiger Weniger". Das ist bis heute die VW-Lesart: Eine Ingenieur-Gruppe aus dem oberen und mittleren Management, unterhalb des Konzernvorstands war für die Manipulationen verantwortlich. Trotz einiger Hinweise, dass Winterkorn früher als im September 2015 Bescheid gewusst haben könnte. Am Tag nach dem Video trat er zurück und schweigt seitdem.

Bis morgen. Dann muss er vor dem Abgas-U-Ausschuss des Bundestags aussagen. Das Gremium soll vor allem klären, seit wann die Regierung über Manipulationen Bescheid wusste und wie eng die Abstimmung mit der Autolobby war.

Dass es generell Probleme in den USA gab, war Ermittlungsergebnissen zufolge bei VW spätestens seit Frühjahr 2014 bekannt. Damals veröffentlichte der Forscherverbund ICCT auffällige Abgasdaten von VW-Modellen in den USA. Winterkorn hatte dazu am 23. Mai 2014 einen Vermerk in seiner Post. Über mögliche Ursachen oder Risiken sei darin aber nicht berichtet worden, hatte VW Anfang 2016 erklärt.

Dann kommt der 27. Juli 2015 - ein Datum, das immer mehr ins Zentrum rückt. Regelmäßig fanden in Wolfsburg Besprechungen über Schadens- und Produktthemen statt - im VW-Slogan "Schadenstisch" genannt. Dabei informierte der frühere Entwicklungschef der Marke VW , Heinz-Jakob Neußer, die Runde über die Lage in den USA.

Wusste Winterkorn da schon mehr? Laut "Bild"-Zeitung soll der "Schadenstisch" offen Strategien für oder gegen ein Einräumen der Manipulationen gegenüber den US-Behörden diskutiert haben. Er will sich demnach nur an eine kurze Erörterung erinnert haben - und ihm sei versichert worden, dass die Probleme in den Vereinigten Staaten gelöst würden. Einer, der dabei gewesen sein soll, sagte der Zeitung indes: "Wir haben darüber gesprochen, dass etwas Illegales in unsere Autos installiert wurde."

Die US-Justiz wirft der VW-Spitze in einer Klageschrift Vertuschung vor. Statt nach dem Treffen im Juli 2015 die Aufklärung gegenüber den schon unter Hochdruck gegen VW ermittelnden Behörden anzuordnen, habe die Konzernführung die Verheimlichung autorisiert. Auch die "Süddeutsche Zeitung" meldete jüngst, "neue Indizien" legten nahe, dass es bereits 2012 und 2014 Gespräche mit engen Vertrauten Winterkorns über illegale Software gegeben haben soll. Das hätten Kronzeugen im Gespräch mit US-Ermittlern ausgesagt.

Dem widerspricht die offizielle Darstellung von VW : Der Vorstand habe erst am 3. September 2015 von den illegalen Abschalteinrichtungen in den USA erfahren. Schriftliche Beweise für eine frühere Kenntnisnahme gibt es, so die Ermittler, nicht - bisher.

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