Was will Merkel?

Meinung · Obwohl nun auch der Letzte begriffen hat, dass die derzeitige Praxis des Handels mit Geld und Scheingeld für die Gesellschaft ungefähr so nützlich ist wie das Dealen mit Drogen, weiß die deutsche Kanzlerin noch immer nicht, warum sie aktiver dagegen vorgehen soll

Obwohl nun auch der Letzte begriffen hat, dass die derzeitige Praxis des Handels mit Geld und Scheingeld für die Gesellschaft ungefähr so nützlich ist wie das Dealen mit Drogen, weiß die deutsche Kanzlerin noch immer nicht, warum sie aktiver dagegen vorgehen soll. Gestern im Bundestag gab sie als Grund lediglich an, dass die Koalitionsfraktionen und das Gerechtigkeitsgefühl der Bürger das verlangten. Gleichzeitig mochte sich Angela Merkel noch immer nicht entscheiden, für welche Art von Finanzmarktsteuer sie international kämpfen soll. Das schwächt die Verhandlungsposition gegenüber Ländern wie den USA und Großbritannien, die gar nichts verändern wollen. Merkel gibt in dieser Krise weder der Regierung eine klare Linie vor, noch den Menschen im Lande Sicherheit. Kann sie nicht oder will sie nicht? Beides. Sie kann nicht, weil sie die falschen Partner hat. In einer Zeit, da es nötig wäre, manche neoliberale Verirrung zu korrigieren, regiert sie mit der FDP. Also mit einer Partei, die jene repräsentiert, welche über Geld verfügen, mit dem spekuliert werden kann. Und die ideologisch die Letzte in Deutschland ist, die den Staat finanziell und ordnungspolitisch kurz halten will. Die SPD war der bessere Partner in der Banken- und Wirtschaftskrise, die Grünen wären es jetzt in der Haushaltskrise. Aber Merkel will auch nicht. Sie changiert, man weiß nicht zwischen was. So lehnte sie vor kurzem noch eine Finanzmarkttransaktionssteuer ab - weil der Internationale Währungsfonds dagegen Einwände habe. Jetzt ist sie glühende Verfechterin der Idee. Aber was ist ihre wirkliche Position? Die Frage gilt für viele Politikbereiche. Bald geht es im Kabinett darum, 19 Milliarden Euro einzusparen. Erstmals muss Merkel dann gegen etwas entscheiden, muss streichen und kürzen. Sind dabei die Leipziger CDU-Beschlüsse von 2003 ihr Maßstab, also radikale Sozialreformen bis hin zur Kopfpauschale im Gesundheitswesen? Hat sie diese Linie 2005 ehrlich verworfen oder nur, weil sie so schlecht ankam? Ist sie für Mindestlöhne, die sie in der großen Koalition noch durchlaufen ließ, oder ist sie grundsätzlich dagegen? Ist Klimaschutz ihr ein wirkliches Anliegen oder war es das bloß, weil sie 2007 G8-Präsidentin war? Wie ist es mit der Familienpolitik, was mit dem Bildungsthema? Wird jetzt beides geopfert? Und so können viele weitere Fragen gestellt werden, die allesamt auf die eine große hinauslaufen: Welche Richtung will Angela Merkel mit ihrer Richtlinienkompetenz eigentlich vorgeben, welche ihre Koalition einschlagen? Richtung Kanzleramt, also Macht, reicht als Antwort nicht mehr aus.

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