Was beim Krieg in Afghanistan schief läuft

Saarbrücken. Und wieder kehren deutsche Soldaten schwerverletzt an Körper und Seele aus Afghanistan zurück. Fünf Fallschirmjäger der Saarland-Brigade sind seit 2002 in dem Land gestorben. Eine Gesellschaft, die ihre jungen Menschen diesen Risiken aussetzt, muss gute Gründe dafür haben

Saarbrücken. Und wieder kehren deutsche Soldaten schwerverletzt an Körper und Seele aus Afghanistan zurück. Fünf Fallschirmjäger der Saarland-Brigade sind seit 2002 in dem Land gestorben. Eine Gesellschaft, die ihre jungen Menschen diesen Risiken aussetzt, muss gute Gründe dafür haben. Nach Einsatzbeginn erweckte die Politik nur zu gerne den Eindruck, dieser Grund sei der Export von Demokratie und Menschenrechten. Nach dem Märchen vom Bundeswehr-Soldaten als Brunnenbauer bleibt es - bei allen charakterlichen Schwächen, die man Karl-Theodor zu Guttenberg angesichts der Plagiatsaffäre bescheinigen muss - das Verdienst des ehemaligen Verteidigungsministers, den Deutschen die Augen für die Kriegsrealität geöffnet zu haben.Doch die Bevölkerung wird zunehmend kriegsmüde. Gerade jetzt - so formulierte es General Volker Bescht gestern beim Rückkehrer-Appell in Saarbrücken - wäre es daher Aufgabe der Politik, zu einem beschlossenen Einsatz zu stehen, "auch wenn er anders verläuft, als man sich das vorgestellt oder politisch erträumt hat". Stattdessen will die Bundesregierung die Truppen möglichst schnell abziehen, aus Angst vor dem Wähler. Politische Führung sieht anders aus.

Bis heute hat die Regierung nicht hinreichend deutlich gemacht, warum deutsche Soldaten in Afghanistan die Knochen hinhalten - und welche Kriterien für einen Abzug erfüllt sein müssen. Die Afghanistan-Strategie von 2010 ist ein Anfang, der aber Jahre zu spät kam. Immerhin räumte die Regierung inzwischen kleinlaut ein, Ziel sei nicht mehr eine Demokratie nach westlichem Vorbild. Doch sie weigert sich beharrlich, die Konsequenzen klar zu benennen. Zwei Beispiele:

• Deutsche Soldaten kämpfen nicht in erster Linie für die Freiheit der Afghanen, sondern für die Sicherheit Deutschlands. Dieser Vorrang der Sicherheit vor der Freiheit muss offen ausgesprochen werden. Es ist zu Recht nicht vermittelbar, dass deutsche Soldaten sterben, damit in Afghanistan die Menschenrechte durchgesetzt werden. Staatsaufbau ist nicht Sache des Militärs. Andererseits bleibt auch die Entwicklungshilfe eine Antwort auf die Frage nach dem Ziel schuldig.

• Die Politik sollte Entschlossenheit bei der Bekämpfung der Aufständischen zeigen. Hinter vorgehaltener Hand berichten Soldaten immer wieder, dass militärische Führer schweres Geschütz wie die Panzerhaubitze nur sehr zurückhaltend einsetzen, obwohl es militärisch dringend geboten wäre - weil sie auch die (bei Fehlschlägen mitunter verheerenden) Reaktionen in Deutschland fürchteten. Und schließlich das Töten: Nach Einschätzung von Offizieren der Saarland-Brigade, die gerade aus Afghanistan zurück sind, schützt ein vor allem von US-Spezialkräften praktiziertes gezieltes "Ausschalten" von Taliban der mittleren Führungsebene die eigenen Truppen und wird auch von der afghanischen Bevölkerung gefordert. Aber welcher Politiker hat den Mumm, das offen auszusprechen? Es gäbe einen Aufschrei.

Mit einer schonungslosen Offenlegung von Zielen und Mitteln des Einsatzes in Afghanistan ließe sich durchaus mehr Unterstützung mobilisieren, denn die Wähler vertragen mehr Ehrlichkeit, als mancher Politiker glaubt. Alles andere wäre eine Fortsetzung der deutschen Selbsttäuschung, die weder den Soldaten im Einsatz noch den Hinterbliebenen der Gefallenen dient.

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