Warum die Nato mit Georgien hadert

Brüssel. Georgien kann trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kaukasus nicht mit einer schnellen Aufnahme in die Nato rechnen

Brüssel. Georgien kann trotz der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kaukasus nicht mit einer schnellen Aufnahme in die Nato rechnen. Einen Tag vor dem heutigen Gipfeltreffen der Außenminister des Bündnisses in Brüssels machten Diplomaten der 26 Mitgliedstaaten klar, dass "wir zwar das russische Vorgehen verurteilen, die Voraussetzungen für eine schnelle Aufnahme des Landes weiter nicht gegeben" seien. "Das Bündnis muss auf die Situation reagieren und es wird reagieren", sagte ein hoher Nato-Vertreter unserer Zeitung. Der estnische Staatspräsident Toomas Hendrik Ilves erklärte gestern, es sei "ein Fehler gewesen, Tiflis beim Nato-Gipfel im April nicht in den Aktionsplan für eine Mitgliedschaft (Map) aufzunehmen. Dieses Verhalten verstand Moskau als Einladung, gegen Georgien vorzugehen". In Brüssel wurde gestern deshalb damit gerechnet, dass sich die Außenamtschefs der Allianz heute grundsätzlich zu einer Mitgliedschaft der Kaukasus-Republik bekennen und dafür aussprechen, Tiflis möglichst bald in den Map zu integrieren. Damit ist jedoch kein schneller Beitritt verbunden. Dieser kann noch zehn bis 15 Jahre hinausgezögert werden. "Aber dann hätten wir gegenüber Russland klar gemacht, wo wir stehen", sagte ein westlicher Nato-Diplomat. Den Außenministern geht es heute vor allem darum, den Eindruck einer Spaltung der Allianz zu beseitigen. Beim Bukarester Nato-Gipfel im April hatte es noch geheißen, vor allem Deutschland, Frankreich und die Niederlande hätten einen amerikanischen Vorstoß zur Aufnahme Georgiens gestoppt. Berlins Regierungssprecher Thomas Steg sagte dazu gestern, es gebe eine "Richtungsentscheidung des Bündnisses", der zufolge Georgien Mitglied werden kann, wenn es das will. "Daran hat auch Deutschland mitgewirkt." Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich blockierten mehrere Nato-Staaten in Bukarest den Plan von US-Präsident George W. Bush - mit Blick auf "tiefgreifende Demokratie-Defizite und eine mangelnde politische Stabilität" Georgiens. Außerdem - so hieß es vor einigen Monaten - sei aufgrund der politischen Unklarheiten nicht einmal der genaue Grenzverlauf der Kaukasus-Republik sicher. In Brüssel wurde gestern betont, dass sich "an dieser Sachlage bis heute nichts geändert hat". Auch Bundesaußenminister Steinmeier unterstrich, es gebe keinen Grund, die Nato-Beschlüsse zu ändern. Nach Einschätzung von Beobachtern kann der georgische Präsident Michail Saakaschwili deshalb heute bestenfalls damit rechnen, dass die Nato-Außenminister eine Solidaritätsadresse nach Tiflis schicken, weder ein konkreter Zeitplan für einen Beitritt noch eine beschleunigte Aufnahme in den Map stehen auf der Tagesordnung. Um diesen Schritt soll es - so die Nato-Beschlusslage - erst beim Jubiläumsgipfel der Allianz 2009 in Straßburg und Kehl gehen. Dass es bis zum kommenden Jahr aber wirkliche Fortschritte gibt, erscheint inzwischen unwahrscheinlich. Voraussetzung dafür wäre nämlich, dass Georgien (ebenso wie die Ukraine) die von der Nato geforderten politischen Reformen umgesetzt hat. In Brüssel macht aber niemand einen Hehl daraus, dass die georgische Rolle im jetzigen Kaukasus-Konflikt trotz aller Vorwürfe in Richtung Moskau kaum geeignet ist, die zentrale Bedingung für eine Nato-Aufnahme zu erfüllen: Durch einen Beitritt des Landes darf kein neuer Zündstoff in die Allianz getragen werden.

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