Warum die Banken-Krise gut für die Welt ist

Saarbrücken. Jenseits aller dramatischen Folgen: Es wurde Zeit, dass die Blase der internationalen Finanzmärkte geplatzt ist. Viel zu lange durfte eine kleine Clique findiger Finanz-Jongleure globales Monopoly spielen, ohne durch lästige Regeln gestört zu werden. Nun soll der Steuerzahler auslöffeln, was ihm die skrupellosen Propheten der Deregulierung und Privatisierung eingebrockt haben

Saarbrücken. Jenseits aller dramatischen Folgen: Es wurde Zeit, dass die Blase der internationalen Finanzmärkte geplatzt ist. Viel zu lange durfte eine kleine Clique findiger Finanz-Jongleure globales Monopoly spielen, ohne durch lästige Regeln gestört zu werden. Nun soll der Steuerzahler auslöffeln, was ihm die skrupellosen Propheten der Deregulierung und Privatisierung eingebrockt haben. Die Empörung darüber setzt gerade erst ein. Auch wenn das ganze Ausmaß der Krise noch nicht klar ist, steht bereits fest: Derzeit findet eine historische Zäsur statt. Mit dem Kollaps des internationalen Finanzsystems ist auch eine Philosophie zerbrochen, die des Turbo-Kapitalismus. Selbst mit den Abgasen des globalen Kommerzes, mit dem Verkauf fauler Kredite, wollten Banker und Spekulanten noch Gewinne einfahren. Tatsächlich wurden viele Akteure mit Wertpapieren, Schuldverschreibungen, Leerverkäufen oder Hedge-Fonds unglaublich reich. Und die Politik, angeblich dem Gemeinwohl verpflichtet, schaute nicht nur wohlgefällig zu, sondern schuf auch noch den gesetzlichen Rahmen dafür. Wenn vom "Finanzmarkt" die Rede ist, geht es nicht nur um Immobilienkredite oder Investment-Banking. Es geht um das System an sich. Ein System, das sich im Sinne des Wortes a-sozial gerierte, denn es hatte ausschließlich private Rendite zum Ziel. Warnende Stimmen gab es indes genug. An erster Stelle - ausgerechnet - die von Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine, der schon vor zehn Jahren die Finanzmärkte regulieren wollte. Man hat ihn ausgelacht und verspottet. Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler, Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz oder der renommierte Ökonom Paul Krugman - auch ihre Systemkritik wurde in den Champagner-Etagen der Bosse, Banken und Börsen mit einem verächtlichen Lächeln abgebügelt.Seriöse Wissenschaftler sagten das Desaster ebenfalls voraus, etwa Max Otte von der FH Worms ("Der Crash kommt") oder Dirk Solte vom Forschungsinstitut für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung (FAW) Ulm. In seinem Buch "Weltfinanzsystem am Limit" analysiert Solte das internationale Finanzsystem mit hoher Präzision. Sein Fazit: Es befördert die "Umverteilung von Einkommen und Vermögen von unten nach oben" und den "Zusammenbruch der Finanzstrukturen". Zudem gefährde der freie Kapitalverkehr mit staatlichen Schuldverschreibungen und dem Standort-Wettbewerb per Steuerdumping ganze Volkswirtschaften. Belegt wird dies mit schier unglaublichen Zahlen. Von 1970 bis 2005 explodierte das Volumen der handelbaren Vermögenswerte von fünf auf 150 Billionen Dollar. Das sind umgerechnet knapp 109000 Milliarden Euro. Während sich die Rendite aus Finanzvermögen in dieser Zeit verdreißigfachte, wuchs das weltweite Bruttosozialprodukt nur um das Dreizehnfache. Von 2001 bis 2005 stieg das reine Geldvermögen der damals weltweit 8,7 Millionen Millionäre um 27 Prozent, sie besaßen im Jahr 2005 insgesamt rund 33 Billionen Dollar - ohne Sachwerte! Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte weltweit ist fast genau so hoch. Soltes nüchternes Fazit: Das Weltfinanzsystem mit seinen freien Wechselkursen, dem enormen Zinsgefälle, mit unterschiedlichen Steuersystemen und laxen Regeln hat ein Verteilungsmuster für Wertschöpfung und Vermögen erzeugt, von dem nur eine kleine Gruppe reicher Akteure profitierte. Auch deshalb ist es im Interesse der Allgemeinheit, wenn das Waterloo der Wall Street nun einen Prozess des Umdenkens bewirkt, der neben den Aspekten der Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit auch wieder die menschliche Vernunft berücksichtigt.

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