Wahl der Qual

Amerika hat die Qual der Wahl - im wahrsten Sinne des Wortes. Noch nie bemühten sich zwei politisch derart beschädigte und charakterlich so fragwürdige Politiker um das höchste Amt der Weltmacht. Noch nie waren die drohenden Konsequenzen auch für Europa so gravierend - nicht nur wegen der Globalisierung der Finanzmärkte, sondern auch durch mögliche außenpolitische Schockwellen. Und dies gilt für beide Kandidaten.

Wer die Tragweite dieser Wahlentscheidung begreifen will, muss sich nur vorstellen, wie die ersten Monate einer Trump-Präsidentschaft verlaufen würden. Macht er seine Ankündigungen wahr, drohen Handelskriege mit Mexiko und China, Spannungen mit dem Iran über das Atomprogramm, Massen-Abschiebungen illegaler Einwanderer , neue brutale Verhörmethoden im Umgang mit Terrorverdächtigen sowie eine Verfolgung kritischer Journalisten und politischer Gegner. Die Konsequenzen einer solch radikalen Politik würden globale Verunsicherungen zu einer Zeit verstärken, in der Nationen wie China, Russland und der Iran um maximalen Einfluss ringen. Da den Seiteneinsteiger Trump neben seiner unübersehbaren Arroganz auch weitreichende Unwissenheit gerade auf außenpolitischen Gebieten auszeichnet, wäre er alles andere als eine ausgleichende Kraft im Stile eines Barack Obama . Zwar will Trump auch außenpolitisch andere mehr in die Verantwortung nehmen. Doch käme hinzu, dass er mit seiner provokativen "Entweder oder"-Philosophie auch bewährte Allianzen gefährden würde. Wie spannungsreich der Umgang mit der Bundesregierung sein würde, zeigt allein schon seine Anti-Merkel-Hetze.

Hillary Clinton wäre deshalb, was den Faktor Berechenbarkeit angeht, aus deutscher Sicht die bessere Wahl. Doch auch sie kommt mit jeder Menge Ballast. Und das ist nicht nur die gefährliche Überlegung, eine Flugverbotszone in Syrien einzurichten, die die USA militärisch durchsetzen müssten. Gewinnt Clinton, wird ihr Amtsantritt höchstwahrscheinlich trotz der überraschend schnellen Absolution durch den FBI-Chef in der Email-Affäre noch lange von Kongress-Untersuchungen überschattet werden. Und dann ist da noch Wikileaks. Wieviel die Hacker gegen Clinton weiter in der Schublade haben, weiß niemand. Und steckt Wladimir Putin tatsächlich hinter den Cyber-Attacken, darf man annehmen, dass er belastendes Material in der Hinterhand hält. Nichts dürfte verlockender für den Kreml sein, als einen erpressbaren US-Präsidenten im Amt zu sehen. Das eigentlich Faszinierende ist, dass dennoch die Wahlbeteiligung beeindruckend sein wird. Dies zeigt: Der politische Verdruss in den USA hat seinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Trotz dieser Bewerber.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort