Waffen liefern, Krisen schüren

Sigmar Gabriel hat den Mund zu voll genommen. Es sei eine "Schande", dass Deutschland der drittgrößte Rüstungslieferant der Welt sei. So sprach der Bundeswirtschaftsminister kurz nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren und kündigte eine politische Kehrtwende an: Transparenter und restriktiver sollte es ab sofort bei der Genehmigung von Waffenausfuhren zugehen.Immerhin brach Gabriel mit der Praxis der Vorgängerregierungen, nur einen Rüstungsexportbericht für jedes Jahr zu erstellen, der jeweils erst am Ende des Folgejahres veröffentlicht wurde.

Aber sonst? Nüchtern betrachtet lässt sich heute feststellen, dass die Öffentlichkeit nun zwei Mal im Jahr nachlesen kann, wie im Prinzip alles beim Alten geblieben ist.

Der erst vor wenigen Tagen veröffentlichte Zwischenbericht für 2015 wies für das erste Halbjahr eine höhere Genehmigungszahl für Ausfuhren von Flugzeugen, Panzern und anderem Kriegsgerät aus als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Nun wurde auch noch bekannt, dass der Golfstaat Katar deutsche Kampfpanzer geliefert bekommt. Umso mehr steckt Gabriel jetzt in Erklärungsnot. Denn gerade im arabischen Raum ist die Lage explosiv wie lange nicht. Nicht nur, dass Katar mit eigenen Bodentruppen bei den kriegerischen Auseinandersetzungen im Jemen mitmischt. Das Regime steht auch im Verdacht, den "Islamischen Staat" zu finanzieren und damit den internationalen Terrorismus zu unterstützen. Stärkere Argumente, von dem Rüstungsgeschäft Abstand zu nehmen, könnte es kaum geben. Zwar ist es richtig, dass die Ampel für die Lieferungen noch von der alten Bundesregierung auf "Grün" gestellt worden ist. Doch daraus wächst keine Bestandsgarantie. Man erinnere sich nur an die überraschende Ankündigung Gabriels im vergangenen Jahr, die Exportgenehmigung zum Bau eines Gefechtsübungszentrums für Russland zu kippen. Auch damals handelte es sich um eine verbriefte Zusage der Vorgängerregierung, die der neue Wirtschaftsminister vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise für unvertretbar hielt. Und das völlig zu Recht. Es geht also. Man muss nur wollen.

Warum sich Gabriel im aktuellen Fall nicht durchsetzen wollte oder konnte, gibt Rätsel auf. Sicher würden Schadensersatzforderungen seitens der deutschen Rüstungsindustrie entstehen. Aber der politische Schaden ist ungleich größer. Was die Präsenz von immer mehr Waffen in Spannungsgebieten anrichtet, zeigt sich in diesen Tagen in Syrien. Dort halten russische Jagdbomber Assad an der Macht - mit dem Ergebnis, dass noch mehr Syrer die Flucht ergreifen. Rüstungsexporte werden so zum Bumerang. Aber die Bundesregierung wird nicht schlau daraus. Auch das ist eine Schande.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort