Vorschnelle Kritik

Meinung · Das nennt man einen geordneten Rückzug. Er wolle den Dialog voranbringen, vier Millionen Muslime in Deutschland würden zur gesellschaftlichen Realität gehören, hat der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Wochenende präzisiert. Nun sollte eine solche Haltung nicht nur für einen Spitzenpolitiker selbstverständlich sein

Das nennt man einen geordneten Rückzug. Er wolle den Dialog voranbringen, vier Millionen Muslime in Deutschland würden zur gesellschaftlichen Realität gehören, hat der neue Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Wochenende präzisiert. Nun sollte eine solche Haltung nicht nur für einen Spitzenpolitiker selbstverständlich sein. Interessanter ist deshalb die Frage, weshalb sich Friedrich zu einer Klarstellung berufen fühlte. Weil er gleich nach Amtsantritt erstes Lehrgeld bezahlen musste. Denn seine Worte haben nun ein anderes Gewicht als noch in seiner Zeit als CSU-Landesgruppenchef. Vor allem aber werden sie gründlicher gedeutet. Fehlinterpretationen sind dabei freilich nicht ausgeschlossen.Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine erste Empörungswelle über den Minister hinweggerollt ist. Schaut man sich jedoch den Satz genauer an, der für so viel Aufregung gesorgt und die Islam-Debatte neu entfacht hat, fragt man sich schon, warum Friedrich eigentlich von der Opposition und den Islam-Verbänden so hart angegangen wird. "Dass der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich aus der Geschichte nicht belegen lässt", lautete seine Einschätzung am vergangenen Freitag. Friedrich hat also von der Historie gesprochen, aber nicht von der Gegenwart. Und er hat mit seiner Einordnung Recht. Dafür muss man noch nicht einmal Historiker sein.

Alle Parteien, auch große Teile von SPD und Grünen, haben sich während der vom Bundespräsidenten angestoßenen Islam-Debatte auf die christlich-jüdischen Traditionen berufen, die das Land geprägt haben. Vom Islam war bei diesem Blick in die Geschichte fast nie die Rede. Trotzdem wird nun munter drauflos bewertet: Eine Ohrfeige für die Muslime sei Friedrichs Satz, Porzellan werde zerschlagen. Mit Verlaub, das alles ist Quatsch. Der CSU-Mann hat bislang noch nicht offenbart, wie er sich die Integration der Muslime und das Zusammenleben der Religionen künftig vorstellt. Die Kritik an Friedrich ist vorwiegend parteipolitisches Sperrfeuer. Mehr nicht.

In der Debatte um die Rolle des Islams muss es vor allem um das Hier und Jetzt gehen. Dass die Integration weitgehend gescheitert ist, weiß man. Dass sich Parallelgesellschaften entwickelt haben, ebenso. Die Ursachen dafür sind analysiert. Friedrich wird sich jetzt daran messen lassen müssen, welche Konsequenzen er daraus ziehen wird. Er ist für Integration zuständig. Sollte sich Friedrich dabei tatsächlich als Ausgrenzer entpuppen, wäre jede Menge Kritik angebracht. Vorher nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort