Leitartikel Vor dem Treffen mit Kim ist Trump kleinlauter geworden

Der große Gipfelsturm hat sich relativiert: Die Euphorie, wie sie US-Präsident Donald Trump nach der ersten Begegnung mit Kim Jong Un schürte, ist inzwischen vorsichtigeren Tönen gewichen.

 Herrmann Frank

Herrmann Frank

Foto: SZ/Robby Lorenz

Wenn man so will, dem Normalzustand der Diplomatie. Dem Bohren dicker Bretter. Auch Trump, der sonst so gern den Superlativ bemüht, trägt mit überraschend leisen Sätzen dazu bei, die Latte niedriger zu legen. Er habe es nicht eilig, sagt er, und wolle auch niemanden zur Eile treiben. Solange Pjöngjang weder Bomben noch Raketen teste, sei er durchaus zufrieden. „Ich möchte die nukleare Abrüstung Nordkoreas erleben – und die werden wir am Ende erleben.“ 

Vor gut acht Monaten in Singapur hatte das noch anders geklungen. Da sprach er großspurig von einem Problem, das er mehr oder weniger gelöst habe, da von Nordkorea nun keine nukleare Gefahr mehr ausgehe. Die vage Erklärung des Treffens feierte er als historischen Meilenstein. Offen blieb, was es praktisch bedeuten sollte, wenn sich beide Seiten zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel verpflichteten. Washington verstand darunter die Vernichtung des nordkoreanischen Atomarsenals, für Pjöngjang war Letzteres geknüpft an den Abzug amerikanischer Truppen aus Südkorea. Seither bemühen sich Trumps Außenminister Mike Pompeo und der Sondergesandte für Nordkorea, Steve Biegun, darum, Kim präzisere Zusagen abzuringen – eine Art Fahrplan. Und Trump hat unterdessen den rhetorischen Rückzug angetreten.

Statt den Eindruck zu erwecken, als gelinge ihm in einem Geniestreich, woran sich seit Bill Clinton all seine Vorgänger im Amt die Zähne ausgebissen hatten, räumt er nun ein, dass es länger dauern wird mit einem Korea ohne Atomwaffen. Womöglich noch Jahre, festlegen will er sich da nicht mehr. Mittlerweile folgt er denen, die Geduld anmahnen und davon sprechen, dass man Kim auch „carrots“ anbieten müsse, statt ihm nur mit „sticks“ zu drohen. Möhren und Knüppel, die Metapher steht für das Wechselspiel von Anreiz und Druck. Wenn man das bilaterale Verhältnis schrittweise normalisiere, sagt etwa Biegun, werde man auch bei der Abrüstung vorankommen.

In Hanoi also könnten Trump und Kim in einer symbolischen Geste den Koreakrieg für beendet erklären, statt es beim 1953 vereinbarten Waffenstillstand zu belassen. Als Nächstes, Fortschritte bei der Verschrottung nuklearer Anlagen und Raketen vorausgesetzt, könnten sie einen Friedensvertrag ansteuern, den auch China, seinerzeit Kriegspartei, unterschreiben müsste. Im Moment scheint Trump der Schritt-für-Schritt-Strategie der Realpolitiker unter seinen Beratern zu folgen. Das kann sich allerdings ändern, doch zumindest für eine Übergangsphase scheint der Mann im Weißen Haus zu akzeptieren, dass Nordkorea dem Club der Atommächte beigetreten ist und er daran zunächst nichts ändern kann. Mit anderen Worten, er akzeptiert die Fakten.

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